Es gibt einen guten Grund, weshalb ich den Namen „Create a Learning Site“ (wörtlich übersetzt: einen Lernort kreieren) verwende. Der Name verbindet zwei Aktivitäten, die mich begeistern: lernen und etwas kreieren oder gestalten. Ich liebe es, Neues zu lernen, und ich liebe es, das, was ich lerne, weiterzugeben. Zu diesem Zweck habe ich vor drei Jahren diese Plattform, Create a Learning Site, eingerichtet.
Vor kurzem wurde ich daran erinnert, als ich ein TEDx Talk auf YouTube anschaute. Das Thema war: Wie entdecke ich mein Lebensziel in 5 Minuten, oder besser gesagt in fünf Fragen. Frage Nummer zwei war: Was machst du gerne? Was könntest du andere lehren?
Mir war die Antwort sofort klar: „Etwas Neues lernen!“ Und da kam mir die Idee für diese Ausgabe: Sie befasst sich mit dem Lernen selbst. Tatsache ist, wenn wir andere in irgendeiner Form unterrichten, wenn wir führen oder wenn wir predigen, müssen wir auch lernen. Sonst gehen uns die Ideen aus, und die Ideen, die wir noch haben, werden alt und ineffektiv. Wir müssen dranbleiben mit dem Lernen. Wie machen wir das?
Diesen Brief gibt es in Englisch auch als VIDEO PODCAST und als AUDIO PODCAST
Was beim Lernen geschieht
Zunächst eine Warnung: Lernen kann gefährlich sein. Laut Jean Piaget, einem Vordenker auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie, kann „lernen“ auf zwei unterschiedliche Arten stattfinden. Normalerweise lernen wir, indem wir neue Erkenntnisse integrieren in das, was wir schon wissen. Wir verbinden das Neue mit dem Alten, und so ergibt das Neue einen Sinn für uns.
Diese Art zu lernen setzt voraus, dass das Neue mit dem Wissen, das schon vorhanden ist, zusammenpasst und verbunden werden kann. Das funktioniert nicht immer. Es kann Widersprüche und Spannungen geben, die zu „kognitiver Dissonanz“ führen. Diese Unstimmigkeiten zwischen dem, was wir meinten zu wissen, und dem, was wir neu dazu lernen, können unter Umständen unbequem werden.
Wir können versuchen, das Neue abzulehnen, um so unsere gesicherten Erkenntnisse zu bewahren. Wenn dies gelingt, lernen wir nichts dazu. Als Alternative können wir unsere bisherigen Annahmen, Überzeugungen und Schlussfolgerungen neu überdenken und kritisch hinterfragen, um allmählich zu einer neuen Synthese zu gelangen. Das braucht länger und geht viel tiefer. Es ist vor allem emotional eine wesentlich größere Herausforderung, da es zu Unsicherheit führen kann. Eventuell, wenn das Thema uns wirklich persönlich betrifft ist, wie zum Beispiel bei Glaubensfragen, kann das Lernen sogar zu einer persönlichen Krise führen.
Anders gesagt, lernen ist gefährlich. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie nicht Ihren Arzt oder Apotheker, sondern Ihren Lehrer. Für diejenigen, die sich von dieser Warnung nicht abschrecken lassen, folgen jetzt einige Ideen.
1. Übernehme Verantwortung für dein Lernen
In der Vergangenheit ging man davon aus, dass der Lehrer die Hauptverantwortung trägt, dass die Schüler lernen. Heutzutage und vor allem in der Erwachsenenbildung trifft dies nicht mehr unbedingt zu. Mindestens ein Teil der Verantwortung und der Entscheidungsbefugnis (was und wie werden wir lernen?) liegt jetzt bei den Studenten.
Wenn das im Bildungswesen schon so ist, gilt dies für unser persönliches Lernen noch viel mehr. Wir selbst haben die Entscheidung; wir müssen selbst die Verantwortung für unser Lernen übernehmen.
2. Finde heraus, wie du am besten lernst
Die Tatsache, dass es unterschiedliche Lernstile gibt, ist inzwischen weit verbreitet. Oft wird unterschieden zwischen:
- Visuell
- Auditiv
- Lesen/schreiben
- Kinästhetisch
Das heißt, wir lernen am besten, indem wir uns visuell mit dem Thema auseinandersetzen, indem wir über die Materie hören und darüber reden können, indem wir über die Materie lesen und schreiben, oder indem wir uns bewegen und aktiv mit dem Thema befassen können.
Damit ist allerdings längst nicht alles gesagt; es gibt nicht nur vier Arten von Menschen. Manche von uns brauchen eine Herausforderung, vielleicht sogar einen gewissen Wettkampf, damit sie effektiv lernen. Manche lernen einzeln gut. Andere lernen am besten zusammen mit anderen, besonders wenn es klare Strukturen gibt. Vielleicht braucht es einen formellen Studiengang mit Diplomabschluss oder einen Kurs mit Zertifikat. Vielleicht reicht aber ein einfacher Vorsatz oder eine schriftliche Zielsetzung. Auch wenn wir wissen, welcher der vier Lernstile am besten zu uns passt, gibt es noch viel mehr darüber zu entdecken, wie wir am besten lernen.
3. Frage dich: Was möchte ich lernen?
Wie bei jeder Reise, ist es wesentlich zu wissen, wohin die Reise gehen soll. Was macht mich neugierig? Was brauche ich für die nächste Phase in meinem Leben oder in meiner Arbeit? Welche Fragen beschäftigen mich schon seit längerem?
Beim Lernen geht es natürlich nicht nur darum, sich neues Wissen oder neue Informationen anzueignen. In den Erziehungswissenschaften gibt es die von Benjamin Bloom entwickelte Taxonomie von Lernzielen, eine systematische und hierarchische Übersicht von unterschiedlichen Zielen beim Lernen. Diese möglichen Ziele werden in drei Gruppen zusammengefasst:
- Kognitive Ziele (Erkenntnis)
- Affektive Ziele (Gefühle und Einstellung)
- Psychomotorische Ziele (Handlungen und Aktivitäten)
Einfacher gesagt: Die Lernziele befassen sich mit Kopf, Herz und Hand. Bei einem kognitiven Ziel kann es zum Beispiel darum gehen, etwas zu wissen, etwas zu verstehen, etwas anzuwenden, etwas zu analysieren oder etwas zu beurteilen oder auszuwerten. Es gibt also ganz unterschiedliche Formen, etwas zu wissen. Reicht es uns, wenn wir Informationen zu einem Thema weitergeben können? Oder möchten wir uns eine Meinung zum Thema bilden? Oder wollen wir endlich ein schwieriges Thema verstehen?
Die Frage ist: Was möchte ich lernen?
4. Bestimme eine Vorgehensweise
Wenn wir wissen, was wir lernen möchten und wie wir am besten lernen, können wir bestimmen, wie wir vorgehen wollen, um unsere Lernziele zu erreichen. Je nach bevorzugtem Lernstil wird dieser Weg verschieden aussehen. Brauchen wir ein Buch zum Thema? Ein YouTube Video? Einen Vortrag in MP3-Form? Einen Kurs oder ein Seminar? Suchen wir einen Mentor? Und so weiter!
5. Nimm fünf. Oder zehn
Viele von uns sind nicht in der Lage, größere Zeiteinheiten in das Lernen zu investieren. Dann bleibt uns die Möglichkeit, hie und da fünf oder zehn Minuten zu benützen und zum Beispiel ein paar Seiten in einem Buch zu lesen. Selbst die Toilette kann zu einer „Learning Site“ werden (nimm aber Rücksicht auf deine Mitbewohner!). Eine andere Möglichkeit ist, auf Audio umzuschalten und Bücher oder Vorträge unterwegs oder bei einer Arbeit, die dies zulässt, zu hören.
Wer mit Holz arbeitet, sollte regelmäßig die Säge oder die Axt schärfen. Wenn wir uns mit neuen Ideen befassen, hat das eine ähnliche Wirkung: So schärfen wir die Säge. Lass nicht zu, dass dein Verstand stumpf wird!
6. Finde einen Weg, Neuerlerntes weiterzugeben
Wir haben etwas erst dann wirklich begriffen, wenn wir es einer anderen Person beibringen können. Einen Unterricht über ein bestimmtes Thema vorzubereiten ist deshalb eine großartige Möglichkeit zu lernen. Falls du zum Beispiel jemals ein Bibelbuch unterrichtet hast, ist das wahrscheinlich ein Buch, das du immer noch sehr gut kennst. Das ist auch der Grund, weshalb ich Create a Learning Site angefangen habe: Ich lerne besser, wenn ich mein neues Wissen Monat für Monat in dieser Form zusammenfassen und weitergeben kann.
7. Achte darauf, was andere machen
Es ist sinnvoll, darauf zu achten, was andere in unserem Fachgebiet oder Interessengebiet publizieren.
Unter anderem aus diesem Grund verfolge ich eine Anzahl Blogs mithilfe von Feedly, einem Blog Reader. Von Zeit zu Zeit überfliege ich die Titel und schaue, ob etwas Interessantes darunter ist. Wahrscheinlich lese ich höchstens drei von hundert aufgelisteten Artikeln. Es passiert aber immer wieder, dass ich dabei auf eine Idee für Create a Learning Site stoße.
8. Fange eine Zu-Wählen-Liste an
Zu-Tun-Listen sind nützlich, aber diese Listen sind schon lange genug. Wir brauchen nicht noch eine zusätzliche Liste mit Aufgaben, die wir erledigen sollten. Aber wie wäre es mit einer Zu-Wählen-Liste? Diese Liste ist eine Sammlung von Ideen, die wir vielleicht irgendwann umsetzen möchten, aber ohne Verpflichtung und ohne Fälligkeitsdatum. Wir sammeln sie, damit wir zu gegebener Zeit Optionen haben und wählen können.
Ich habe eine Liste mit möglichen Ideen für Ausgaben von Create a Learning Site. Wenn mir etwas einfällt oder ich irgendwo eine gute Idee sehe, füge ich diese Idee der Liste hinzu. Ich werde vielleicht nie etwas damit machen, ich habe so aber immer Ideen und Optionen zur Verfügung. Es ist mir wichtig, die Ideen aufzuschreiben, denn so gehen sie nicht verloren. Auf mein Gedächtnis kann ich mich nicht unbedingt verlassen…
Ich habe auch eine lange Liste von Büchern, die ich vielleicht irgendwann lesen möchte. Ich verwende dazu eine Wunschliste von Amazon. Mein Ziel ist nicht, dass sich irgendwann alle diese Bücher gelesen haben werde. Es geht mir darum, dass ich immer auswählen kann, wenn ich mich frage: Was lese ich als nächstes?
9. Verwende den Werkzeugkasten
Im letzten Monat habe ich den Digitalen Werkzeugkasten, mein eBuch mit Internet-Ressourcen für Bibelstudium, neu überarbeitet und ergänzt. Wer sich anmeldet für monatliche Updates, bekommt Zugriff zu diesem Text.
Falls du keine Ahnung hast, was du als Nächstes lernen möchtest, ist der Werkzeugkasten vielleicht ein guter Ort anzufangen. Überfliege die Seiten und schau, ob irgendein Link oder irgendein Thema dein Interesse weckt. Nimm dir Zeit, die betreffenden Ressourcen auszukundschaften, und finde etwas zum Lernen!
Urheber Bilder
Learning: Pixabay, https://pixabay.com/de/klassenzimmer-bildung-schule-379216/, CC0
Students in a Tanzanian Classroom, One World Secondary School Kilimanjaro: Seemannaufland, https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Students_in_classroom_Tanzania.JPG, CC BY-SA 4.0
Wanderer: Pixabay, https://pixabay.com/de/wanderer-rucksack-wanderung-weg-455338/, CC0
Pencil sharpener and pencil: Alexander Klink, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sharpener_with_Pencil.jpg, CC BY 3.0
Share: Pixabay, https://pixabay.com/de/%C3%B6konomie-wirtschaftlichkeit-625919/, CC0
Camera: Pixabay, https://pixabay.com/de/fotograf-fotografie-kamera-linse-80122/, CC0
To Do List: Mister Ebby, https://www.flickr.com/photos/ebby/11409154, CC BY-NC-ND 2.0