Fresko aus Pompeji. Beachte die Wachstafeln oder den Codex.

Der Codex, das Himmelreich, die Entrückung: Drei Entdeckungen

Regelmäßig finde ich Einsichten oder Informationen, die ich großartig finde, die mir aber zu unbedeutend erscheinen, um sie in eine vollständige Ausgabe von Create a Learning Site zu verwandeln. Diesen Monat präsentiere ich drei solche Themen: Codex, Himmelreich und (die wahre Bedeutung der) Entrückung.

Diesen Brief gibt es in Englisch auch als VIDEO PODCAST und als AUDIO PODCAST

Durchbruch des Codex

Normalerweise wurden Bücher in der griechischen und römischen Antike auf Schriftrollen geschrieben. Neben Holz- oder Wachstafeln, die nur für kurze Texte verwendet werden konnten, gab es eine alternative Form: den Codex. Ursprünglich bestand der Codex aus zwei oder mehr miteinander verbundenen Holztafeln (siehe Bild). Ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. wurde das Holz durch Pergament und später auch durch Papyrus ersetzt. Dies ermöglichte Codices mit einer größeren Seitenzahl.

Dennoch war der Codex für literarische Texte nicht gebräuchlich. Meistens wurde er als Notizbuch verwendet.

Dies änderte sich mit der Entstehung des Christentums. Schon sehr früh, so scheint es, haben Christen die zahlreichen Vorteile des Codex erkannt und genutzt:

  • Der Codex ist kleiner und leichter zu transportieren – oder zu verstecken! – als der gleiche Text auf einer Schriftrolle.
  • Er ist effizienter: Er benötigt weniger Material.
  • Er erlaubt es, längere Texte oder Textsammlungen als Einheit zu veröffentlichen als eine Schriftrolle.
  • Er ermöglicht eine schnellere Suche und schnelleres Vergleichen (es ist nicht nötig, die Schriftrolle hin und her zu rollen; stelle dir vor, wie mühsam es wäre, Jesaja 2 und 40 auf einer Schriftrolle zu vergleichen).
  • Man braucht nich zwei Hände, um einen Text zu lesen.

Es ist bemerkenswert, dass die Schriftrollen für weitere 300 Jahre, bis ins 4. Jahrhundert n. Chr, die Hauptform der Buchveröffentlichung im Römischen Reich blieben. Aber nicht unter Christen:

Fast ausnahmslos haben die frühesten bekannten christlichen Bücher nicht die Form der Papyrusrolle, sondern des Papyruscodex oder eines Buches mit Seiten, welches die Vorlage für das moderne Buch ist… Die vergleichbaren Belege sind aufschlussreich. Von den Überresten griechischer Bücher, die vor dem 3. Jahrhundert n. Chr. datiert werden können, sind mehr als 98 Prozent Rollen, während im selben Zeitraum die erhaltenen christlichen Bücher fast alle Codices sind. Unter den griechischen Büchern gewinnt der Codex erst im 3. Jahrhundert an Bedeutung (weniger als 20 Prozent sind Codices), und erst zu Beginn des 4. Jahrhunderts kommt der Codex fast so häufig zum Einsatz wie die Rolle (48 Prozent). Die frühesten Beispiele christlicher Texte des 2. Jahrhunderts sind jedoch fast immer Codices. Zusammengenommen deuten die wesentlichen Belege darauf hin, dass das Urchristentum fast ausschließlich den Codex als Medium seiner eigenen Schriften bevorzugte und sich damit frühzeitig und weitgehend von den etablierten bibliographischen Konventionen seiner Umgebung entfernte. (Gamble 1995:49).

Gamble (ibid.:61-63) vermutet, dass dies damit zusammenhängt, dass die früheste Sammlung christlicher Schriften eine Sammlung von Paulusbriefen war (die bereits vor Ende des 1. Jahrhunderts als Einheit in Umlauf waren). Zusammengenommen sind diese zu lang, um auf einer einzigen Schriftrolle geschrieben zu werden, aber sie passen in einen Codex. Obwohl es spekulativ ist, mag dies die Urchristen dazu geführt haben, die Vorteile der Codexform zu entdecken.

Das Himmelreich im Matthäusevangelium

Es ist eine bekannte Tatsache, dass Matthäus eine starke Vorliebe für die Formulierung „Himmelreich“ oder (wörtlich) „Königreich der Himmel“ zeigt, während die anderen Evangelisten konsequent vom Reich Gottes sprechen. Matthäus ist der einzige im Neuen Testament, der den alternativen Ausdruck verwendet. Warum?

Ich habe oft die Erklärung gehört (und ich fürchte, ich habe sie auch weitergegeben), dass dies darauf zurückzuführen sei, dass Matthäus ein jüdischeres Evangelium sei als die anderen drei, in dem Sinne, dass sein Zielpublikum in einem Gebiet mit einer großen jüdischen Bevölkerung lebte und möglicherweise mehr Gläubige jüdischer Abstammung einschloss als die Adressaten der anderen Evangelien. So viel trifft wahrscheinlich zu. Die Erklärung geht weiter, dass Juden es vermieden hätten, den Namen Gottes auszusprechen und stattdessen „Herr“ gelesen hätten, wo immer der persönliche Name Gottes auftauchte. Diese Behauptung ist auf jeden Fall korrekt. Wegen dieser jüdischen Sensibilität und um Anstoß zu vermeiden, so folgert die Erklärung, habe Matthäus „Gott“ durch „Himmel“ ersetzt.

Und das stimmt nicht. Zum einen wird in diesem Evangelium fünfmal eben doch vom „Reich Gottes“ gesprochen (Mt. 6,33; 12,28; 19,24; 21,31; 21,43). Außerdem ist so nicht erklärt, wieso Matthäus in anderen Zusammenhängen ebenfalls häufiger vom „Himmel“ spricht als die anderen Evangelisten, ohne dass dieses Wort „Gott“ ersetzt. Und vielleicht am wichtigsten: Die Juden vermieden es zwar, den Namen Gottes aus zu sprechen. Sie waren nicht ganz so ängstlich, das Wort „Gott“ zu benützen; es ist überall in ihren Schriften zu finden. Da niemand vom Reich JHWHs sprach, erklärt die Achtung vor dem göttlichen Namen nicht, warum Matthäus den Ausdruck „Himmelreich“ benützt hat.

Es ist wahrscheinlicher, dass Matthäus die Aufmerksamkeit auf andere Elemente dieses Königreichs lenken wollte als die anderen Evangelisten. Das „Reich Gottes“ weist darauf hin, dass Gott der Urheber und Souverän dieses Reiches ist. „Königreich der Himmel“ erinnert uns daran, dass es zu einem anderen Bereich gehört als andere Königreiche, die wir kennen, und dass es sich durch eine andersartige Qualität auszeichnet – himmlische Qualität! Matthäus weist auf den Kontrast zwischen Himmel und Erde hin.

Matthäus möchte uns vielleicht auch an das Buch Daniel erinnern. Die zentrale Aussage dieses Buches lautet: Der Himmel hat die Herrschaft inne, und nicht irdische Könige wie Nebukadnezar oder Belsazar. Wie Matthäus hat Daniel einen ausgesprochen himmlischen Blickwinkel. Gott ist der Gott des Himmels, nicht weil er nicht auch Gott der Erde ist, sondern weil er hoch über der Erde und irdischer Macht steht. Daran erinnert uns Matthäus, indem er eine etwas andere Terminologie verwendet als die anderen Evangelisten.

Ich verdanke diesen Sinneswandel Jonathan Penningtons Arbeit über Matthäus (2007).

Die wahre Bedeutung der Entrückung

Eine der Fragen, die mir am häufigsten gestellt werden, hat mit der Entrückung zu tun: Wird sie vor, während oder am Ende der großen Trübsal stattfinden? Tatsächlich wurde mir diese Frage diese Woche gestellt, als ich mich darauf vorbereitete, diese Ausgabe zu schreiben. Ein paar Bemerkungen dazu.

Erstens: Die Frage setzt voraus, dass die Entrückung eventuell nicht mit der Wiederkunft Christi zusammenfällt, sondern ein separates Ereignis ist. Was die wenigsten wissen: Eine solche Deutung gab es in der Kirche jahrhundertelang nicht. Erst 1830 entdeckte oder erfand John Nelson Darby, der Vater des Dispensationalismus oder der Heilszeitenlehre, diese Vorstellung und nahm sie in sein Szenario von Endzeitereignissen auf.

Zweitens, das Wort Entrückung kommt in der Bibel nicht vor, sondern nur das zugehörige Verb, das normalerweise übersetzt wird mit entrücken, auf– oder emporheben, wegreißen, nehmen oder ergreifen. Nur an einer einzigen Bibelstelle gibt es einen Bezug zur Wiederkunft Jesu:

Denn das sagen wir euch mit einem Wort des Herrn, dass wir, die wir leben und übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, denen nicht zuvorkommen werden, die entschlafen sind. Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel, und zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind, auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit. (1. Thess. 4,15-17 Luther 84)

Das klingt nicht nach etwas, das dem sichtbaren Kommen Christi um eine signifikante Zeitspanne vorausgeht. Außerdem legen wir den Abschnitt falsch aus, wenn wir darin unsere Abreise von der Erde in den Himmel für alle Ewigkeit oder zumindest für die Dauer einer Periode großer Trübsal auf Erden sehen (eine solche Trübsal wird in diesem Abschnitt gar nicht erwähnt). Im weiteren Kontext von 1. Thessalonicher warten die Leser nicht auf eine Abreise, sondern auf eine Ankunft: Sie „warten auf seinen Sohn vom Himmel“ (1. Thess. 1,10 Luther 84). Anstatt die Erde für immer zu verlassen, gehen die zu jener Zeit Lebenden hinauf, um Christus zu begegnen, wenn er vom Himmel herabkommt, und begleiten ihn bei seiner Ankunft auf Erden. Schließlich ist dies seine Wiederkunft oder Ankunft (Vers 15), nicht ein kurzer Zwischenstopp.

Paulus hat folgendes Bild im Sinn. Das griechische Wort parousia kann auch Gegenwart, Besuch oder Ankunft bedeuten. Es wurde unter anderem verwendet für einen offiziellen Besuch des Kaisers oder einer anderen Person mit hoher Position. Um den herannahenden hohen Gast zu ehren, gingen führende Bürger hinaus, um ihn in einiger Entfernung von der Stadt zu treffen und ihn bei seiner Ankunft zu begleiten. Da Christus herabkommt, wird es nicht reichen, hinauszugehen; wir müssen uns hinaufsteigen, aber ansonsten ist es die gleiche Idee. In den Worten des Dictionary of Biblical Imagery handelt das Bild von:

…. einer Delegation, die aus einer Stadt entsandt wurde, um einen Würdenträger zu begrüßen und ihn formell in die Stadt zu begleiten. Hier wird eine Szene aus der „horizontalen“ irdischen Diplomatie auf eine vertikale Ebene umgestaltet. Die Gläubigen werden so dargestellt, als würden sie dem „vom Himmel“ herabsteigenden Herrn begegnen. Das Ende der Geschichte wird mit den Worten, „so werden wir für immer bei dem Herrn sein“ (1. Thess. 4,17) zusammengefasst, aber die Ausrichtung dieser Kurzgeschichte deutet darauf hin, dass das Volk des Herrn ihm begegnet, um ihn zu begleiten, wenn er Anspruch auf sein irdisches Reich erhebt. (Ryken et al. 2000:860)

Die Entrückung ist Teil der Wiederkunft, nicht etwas, das ihr um mehrere Jahre vorausgeht.

Übersetzt mithilfe von www.DeepL.com/Translator

Bild

Donna con tavolette cerate e stilo (cosiddetta “Saffo”), https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sappho_fresco.jpg (Public Domain)

Literaturangaben

Deutsche Bibelgesellschaft (1984), Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft)

Harry Y. Gamble (1995), Books and Readers in the Early Church: A History of Early Christian Texts (New Haven, CT, and London: Yale University Press)

Jonathan T. Pennington (2007), Heaven and Earth in the Gospel of Matthew: Supplements to Novum Testamentum 126 (Boston: Brill Academic Publishers)

L. Ryken, J. Wilhoit, T. Longman et al. (2000), Dictionary of Biblical Imagery (electronic ed.) (Downers Grove, IL: InterVarsity Press)

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