Ich bereite mich auf eine Überarbeitung des eBuches Digitaler Werkzeugkasten vor (hoffentlich nächsten Monat), was meine Aufmerksamkeit auf Ressourcen für das Bibelstudium lenkt. In dieser und der nächsten Ausgabe werde ich auf einige solcher Hilfsmittel eingehen, von denen zumindest eins für dich neu sein könnte. Sie alle haben damit zu tun, dass man sich die Worte des Textes genauer ansieht.
Diesen Brief gibt es in Englisch auch als VIDEO PODCAST
Das griechische oder hebräische Wort finden
Um einzelne Wörter zu studieren, brauchen wir das ursprüngliche griechische oder hebräische Wort. Wie finden wir es heraus? Es war einmal eine Zeit, da gab es noch keine Bibelsoftware und kein Internet (ja, ich bin alt genug, um mich zu erinnern). Alles, was wir damals hatten, waren gedruckte Ressourcen. Es gab trotzdem mehrere Möglichkeiten, die auch heute noch funktionieren:
1. Wir könnten eine griechische oder hebräische Bibel verwenden, um das betreffende Wort zu finden. Das funktioniert nur gut, wenn wir über Grundkenntnisse der biblischen Sprachen verfügen; sonst wird es mühsam.
2. Wir könnten eine Interlinearübersetzung benützen: eine Version der Bibel in griechischer oder hebräischer Sprache, die auf einer separaten Zeile (deswegen Interlinear) eine Übersetzung jedes Wortes gibt (Abb. 1). Auf diese Weise könnten wir das griechische oder hebräische Wort hinter dem deutschen Wort finden, das uns interessiert. Dann könnten wir dieses Wort in einem griechischen oder hebräischen Wörterbuch nachschlagen – vorausgesetzt, wir können zumindest die griechischen oder hebräischen Buchstaben lesen und kennen das betreffende Alphabet – sonst ist auch dieser Weg sehr mühsam.
3. Eine dritte Option wäre, auf Strong‘s Concordance (Abb. 2) zurückzugreifen. Sie wurde erstmals 1890 von James Strong (1822-1894) veröffentlicht. Eine Konkordanz ist ein Buch, das für ein bestimmtes Wort alle Bibelverse auflistet, die dieses Wort enthalten. Darüber hinaus ordnete James Strong jedem Wort, das im griechischen und hebräischen Text der Bibel verwendet wird, eine Nummer zu. Dabei kombinierte er unterschiedliche Formen von z.B. einem Verb (ich lese, du liest, etc.) unter der gleichen Nummer. Es gibt über 14.000 solcher Nummern, entweder beginnend mit einem H (für Hebräisch) oder mit einem G (für Griechisch). In Strong’s Concordance wird die entsprechende Nummer, die das Wort in der Originalsprache identifiziert, hinter dem Vers gedruckt (Abb. 3).
Diese Konkordanz ermöglicht es uns, zu erkennen, welches griechische oder hebräische Wort hinter einem englischen Wort steht. Die Konkordanz enthält zusätzlich ein einfaches, nach Nummern geordnetes Wörterbuch, das die Bedeutung der Wörter kurz und knapp erklärt. Das Wörterbuch zeigt auch, wie der Begriff in der Bibel ins Englische übersetzt wurde und wie oft.
Der offensichtliche Vorteil dieses Tools ist, dass man nicht in der Lage sein muss, griechische oder hebräische Schrift zu lesen; die Nummer genügt. Sie findet auch in anderen Nachschlagewerken Verwendung; sie gibt dem Leser Zugang zu mehr Informationen über das jeweilige Wort, ohne die griechische oder hebräische Sprache zu beherrschen.
Klicken statt Blättern
Schnellvorlauf ins 21. Jahrhundert. Wir haben jetzt die wunderbare Gelegenheit, eine Vielzahl von Websites und Bibelprogramme für das Bibelstudium zu nutzen. In der Regel bieten sie eine oder mehrere der oben aufgeführten Optionen an. Websites für Bibelstudium arbeiten häufig mit Strongs Nummern und enthalten direkte Links zu Strongs einfachen Wörterbuch und oft auch zu einem umfangreicheren Wörterbuch (mehr dazu im nächsten Monat).
Wer bereits eine bestimmte Website oder App benützt, sollte prüfen, welche Möglichkeiten diese Anwendung enthält, um Wörter in der Originalsprache zu studieren, und wie das funktioniert. Wer noch kein solches Tool verwendet, der Digitale Werkzeugkasten enthält eine Übersicht über kostenlose Optionen.
Der große Vorteil: wir können jetzt auf die enthaltene Ressource klicken, anstatt durch dicke Nachschlagewerke blättern zu müssen. Aber es gibt noch mehr.
Eine neue Option: Die umgekehrte Interlinearübersetzung
Ich weiß nicht, wer die Idee hatte, aber ich finde, sie ist fast einen Nobelpreis wert. Wenn ich meine Logos-Bibelsoftware benütze und den Cursor auf ein Wort stelle, zeigt es mir das ursprüngliche griechische oder hebräische Wort dahinter (Abb. 4). Es gibt mir auch Strongs Nummer und Informationen über die grammatikalische Form. Wenn ich möchte, kann ich auf Wörterbücher klicken (falls ich welche in meiner digitalen Bibliothek habe; Abb. 5), um mehr zu erfahren.
Das funktioniert also in umgekehrter Weise wie die konventionelle Interlinearübersetzung. Ich muss nicht mit dem Originaltext arbeiten, der darunter verzerrtes Englisch oder Deutsch zeigt. Ich kann mit einem englischen oder deutschen Bibeltext arbeiten und mir die zugrunde liegenden griechischen oder hebräischen Wörter ganz einfach ansehen.
Logos ist kein billiges Programm, aber es bestehen kostenlose Versionen einer umgekehrten Interlinearübersetzung im Web. Besonders gut gefällt mir die STEP Bibel (https://www.stepbible.org/), die von Tyndale House in Cambridge, Großbritannien, zur Verfügung gestellt wird. Es stehen mehrere, wenn auch alte deutsche Bibelübersetzungen zur Auswahl. Die Programmführung kann man auf Deutsch umstellen. Wenn der Mauszeiger über ein Wort im Text fährt, zeigt die Seite das ursprüngliche Wort und seine Bedeutung (Abb. 6). Allerdings funktioniert diese Funktion nur in der englischen Bibelübersetzung und die Wortbedeutung gibt es nur in Englisch.
Interlinearübersetzung der STEP Bibel: Eine Konkordanzsuche
Zwei Beispiele für die Verwendung dieser Interlinearfunktion. Erstens, man kann eine Konkordanzsuche durchführen und alle Verse mit einem bestimmten Wort auflisten lassen; die englischsprachigen Ergebnisse haben die umgekehrte Interlinearfunktion. Ich suchte nach dem Wort Zeuge (Engl. witness). Wenn der Mauszeiger über das Wort witness fährt, erscheinen Informationen. Es zeigt auch alle anderen Stellen auf dem Bildschirm, an denen dieses Wort erscheint (Abb. 7).
Zugegebenermaßen funktioniert das alles wesentlich besser und einfacher, wenn man die Webseite auf Englisch verwendet. Dann kann man bei Eingabe von witness sogar auswählen, welches hebräische oder griechische Wort man suchen will, z.B. das griechische Substantiv martus. Dies ist eine der Optionen, die sich bei der Eingabe von witness in das Suchfeld öffnet (Abb. 8).
Interlinearübersetzung der STEP Bibel: Eine Bibelstelle
Zweitens, ich schließe mit einem Beispiel für die Verwendung der umgekehrten Interlinearübersetzung in der Studie einer Passage. Ich schaue mir die letzten Verse in 1. Petrus 1 an:
Zusammengefasst: Wir sind wiedergeboren durch das Wort Gottes, das für immer bleibt; dieses Wort ist das Evangelium. Es gibt zwei griechische Wörter, die man mit Wort übersetzen kann: rhema und logos. Es wird oft behauptet, dass es eine klare Unterscheidung zwischen den beiden gibt. Logos, so lautet das Argument, ist in erster Linie das geschriebene Wort und die allgemeine Offenbarung oder Botschaft Gottes; rhema ist das gesprochene Wort, das direkte und persönliche Wort für eine bestimmte Person oder Situation.
Denn ihr seid wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da bleibt. Denn „alles Fleisch ist wie Gras und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume. Das Gras ist verdorrt und die Blume abgefallen; aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit“. Das ist aber das Wort, welches unter euch verkündigt ist. (1. Pet. 1,23-25; Luther 1984; Betonung hinzugefügt)
Deshalb möchte ich wissen, welches Wort Petrus verwendet. Wie die Abbildungen 9 und 10 zeigen, verwendet Petrus beide. Ich arbeite jetzt nur mit dem englischen Text. Wir sind wiedergeboren aus dem logos, das bleibt, denn des Herrn rhema bleibt in Ewigkeit. Petrus zitiert die Septuaginta (die griechische Übersetzung des AT), die tatsächlich rhema und nicht logos verwendet, obwohl logos hier ebenso Sinn ergeben würde. Obwohl zwei unterschiedliche Wörter verwendet werden, müssen sie sich auf genau dasselbe beziehen, denn das Zitat dient dazu, die Aussage in Vers 23 zu belegen: Das Wort Gottes bleibt. Dass Petrus auf diese Weise von einem Begriff zum anderen wechseln kann, legt nahe, dass er die beiden Begriffe als Synonyme verstanden hat, nicht als Fachbegriffe mit einer klaren Unterscheidung.
Im Schlusssatz wird das rhema mit der guten Nachricht identifiziert, die den Lesern gepredigt wurde. Dies macht das letztgenannte Wort tatsächlich zu einem gesprochenen Wort, aber alle drei Verwendungen scheinen sich auf dasselbe Wort oder dieselbe Botschaft zu beziehen, die die allgemeine Botschaft und Offenbarung Gottes ist, nicht auf eine einzigartige oder persönliche Kommunikation von Gott, auch wenn das Wort rhema zweimal verwendet wird.
Alles in allem ist ein umgekehrtes interlineares Modell wie die STEP-Bibel ein großartiges Werkzeug. Vielleicht lohnt es sich, für diese Seite im Internetbrowser ein Lesezeichen zu setzen: https://www.stepbible.org/!
Literaturangaben
Deutsche Bibelgesellschaft (1984), Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft)