Metakognition? Braucht es dieses Wort? Ja; Erklärung folgt.
Diesen Brief gibt es in Englisch auch als VIDEO PODCAST
Ein nützliches Wort
Fangen wir mit der Kognition an. Der Begriff wird für den mentalen Akt des Wissens verwendet, aber auch für den Erwerb von Wissen oder anders gesagt: für das Lernen.
Hier ist eine Wörterbuchdefinition von Kognition im zweiten Sinne, die in einem Beispiel das Wort verwendet, um das es hier geht:
Kognition: Die mentale Handlung oder der Prozess des Wissenserwerbs und Verständnis durch Denken, Erfahrung und die Sinne.
„Unter Metakognition verstehe ich das Wissen über die Kognition selbst und die Kontrolle der eigenen kognitiven Prozesse.“ („Kognition“ 2020)
Das Präfix meta kann, wie hier, verwendet werden, um anzuzeigen, dass ein Konzept sich mit selbst beschäftigt. Metakommunikation zum Beispiel ist Kommunikation – oder das Nachdenken über Kommunikation. Metakognition bedeutetdas Nachdenken über den Prozess des Wissenserwerbs (des Lernens) und des Verstehens: Wissen über Wissen, Kognition über Kognition.
Ich gebe zu, dass das oben Gesagte höchst theoretisch ist. Es bringt jedoch große praktische Vorteile mit sich. In dem Maße, in dem uns Metakognition gelingt, übernehmen wir Verantwortung für unseren eigenen Lernprozess.
Es ist schwer, sich eine nützlichere Fähigkeit vorzustellen.
Selbstgesteuertes Lernen
Vor vielen Jahren, als ich die Schule für Bibelstudium in Deutschland leitete, haben wir für unsere Absolventinnen und Absolventen ein Handbuch mit Werkzeugen und Ideen zusammengestellt, um das, was sie in den neun Monaten des Kurses gelernt hatten, weiterzugeben. Im letzten Monat habe ich es mir zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder angesehen, und stieß auf einen glücklichen Satz:
Sei dein eigener Schüler (Hornstra 2004: 10)
Okay, es ist schon merkwürdig, wenn man sich selbst zitiert. Aber die Idee ist trotzdem richtig.
Sie ist das Herzstück von Create a Learning Site. Das ist der Grund, warum ich diese monatlichen Inputs schreibe. Sie dokumentieren meinen eigenen Lernprozess. Das zwingt mich, darüber nachzudenken, was ich lerne und was ich lernen möchte. Ich mache mich zu meinem eigenen Schüler (und Lehrer). Mit anderen Worten, ich zwinge mich, Metakognition zu üben. Ich halte es für sinnvoll, das in einem einzigen Wort ausdrücken zu können.
Besserer Unterricht
Übrigens, indem wir unseren Studentinnen und Studenten erlauben, die Kontrolle über ihr eigenes Lernen zu übernehmen – das heißt, indem wir sie darin schulen, Metakognition zu üben – werden wir auch als Lehrer effektiver.
Deswegen Metakognition. Aber wie macht man das?
Metakognition in der Praxis
Hier sind einige Elemente, aus denen sich die Praxis der Metakognition zusammensetzt. Die nachstehende Übersicht basiert auf das Buch How People Learn: Brain, Mind, Experience, and School (National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine, 2000: 18f), ist mit Hilfe von ChatGPT zusammengefasst und anschließend in meine eigene Worte umformuliert.
- Wir bestimmen unsere Lernziele.
- Wir planen und verwalten unsere Zeit.
- Wir überwachen unseren Fortschritt und unser Verständnis: Verstehen wir die Materie? Kommen wir unserem Lernziel näher? Wie es im Buch heißt, „nimmt Metakognition oft die Form eines inneren Gesprächs an“ (ebd.: 18).
- Eine Möglichkeit, dies zu tun: Wir halten regelmäßig inne und nehmen uns einen Moment Zeit, um das Gelernte oder Gelesene in unseren eigenen Worten zusammenzufassen.
- Wenn wir nach einer längeren Pause wieder fortfahren, blicken wir zumindest zurück auf das, was wir beim letzten Mal gelesen und gelernt haben.
- Bei Bedarf holen wir zusätzliche Informationen ein: Warum verstehen wir etwas nicht? Was fehlt?
- Wir beurteilen auch, ob die Informationen, die wir erhalten haben, mit dem übereinstimmen, was wir bereits wissen. Wir ignorieren nicht Spannungen oder was manchmal als „kognitive Dissonanz“ bezeichnet wird, sondern gehen ihnen nach, weil eine solche Spannung darauf hinweist, dass es etwas zu lernen gibt.
Einige der oben genannten Punkte sind Teil einer Lehrtechnik, die als reziproker Unterricht bezeichnet wird. Die Methode wird in kleinen Lese- und Diskussionsgruppen praktiziert, um Kindern beizubringen, mit Verständnis zu lesen (und mit Verständnis lesen, darum geht es in unseren Bibelkursen für meist junge Erwachsene ebenfalls). Die Methode besteht aus vier Schritten: zusammenfassen, Fragen stellen, klären und vorhersagen, wie es im Text weitergeht. Abwechselnd werden die Schüler zu Lehrern für ihre Gruppenkameraden.
Ein kleiner Eindruck dieser Lernmethode findet sich unter:
https://www.readingrockets.org/classroom/classroom-strategies/reciprocal-teaching
Vielleicht löst die Webseite Ideen für dein eigenes Lernen oder Lehren aus! Siehe auch:
Eine gute Frage, die man sich stellen sollte
In den Anfängen von Microsoft Windows und dem Internet hat das Unternehmen Microsolft einen Slogan für sein Produkt entwickelt, wie hier gezeigt. Das inspiriert mich zu meiner Schlussfrage für diesen Monat. Es ist eine Frage, die es wert ist, gestellt zu werden, besonders zu Beginn eines neuen Jahres. Und indem du dir diese Frage stellst, praktizierst du Metakognition:
Was möchtest du heute lernen? Oder in diesem Jahr?
Bildnachweis
Learning: <https://pixabay.com/photos/to-learn-a-notice-information-sign-64058/> CC0
Learn: <https://pixabay.com/photos/learn-word-scrabble-letters-wooden-1820039/> CC0
Katze: <https://pixabay.com/photos/cat-flower-kitten-stone-pet-2536662/> CC0
Microsoft: <https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Microsoft_logo_(1987)_%2B_slogan_(1994).svg>
Winer, Dave. 2005. ‘Where do you want to go today?’ <https://www.flickr.com/photos/scriptingnews/77248010> CC BY-SA 2.0 Deed
Literaturangaben
‘Cognition | Definition of Cognition by Oxford Dictionary on Lexico.Com Also Meaning of Cognition’. 2020. <https://web.archive.org/web/20200715113427/https:/www.lexico.com/definition/cognition> [accessed 13 November 2023]
Hornstra, W. L. 2004. Weitergeben! Eine Anleitung für nach der Schule.Version 1.21 (Hurlach, Germany: Schule für Bibelstudium)
National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine. 2000. How People Learn: Brain, Mind, Experience, and School. Expanded Edition (Washington, DC: The National Academies Press) <https://doi.org/10.17226/9853> [accessed 9 November 2024]