Wie bereits angekündigt, wird dies für eine Weile die letzte Ausgabe von Creative a Learning Site sein. Sie markiert auch das zehnjährige Jubiläum des Lernbriefs! Zehn Jahre monatlicher Inputs, die meine Lernreise dokumentieren – Zeit für eine Pause, nicht vom Schreiben an sich und schon gar nicht vom Lernen, sondern vom Schreiben für die sofortige Veröffentlichung.
Wie im letzten Monat befasse ich mich mit Cynthia Long Westfall und ihrem Buch, Paul and Gender (2016); diesmal geht es um 1. Timotheus 2.
Diesen Brief gibt es in Englisch auch als VIDEO PODCAST
Ein Haus bauen mit nur einem Ziegelstein?
Ich beginne mit einer allgemeinen Bemerkung. 1. Timotheus 2,12 ist die einzige Bibelstelle, die, zumindest in den meisten Übersetzungen und auf den ersten Blick, Frauen verbietet, in der Gemeinde eine Führungsrolle zu übernehmen. Das allein schon sollte aufhorchen lassen. Es ist ein guter Grundsatz der Bibelauslegung, eine Lehre oder Praxis nicht auf eine einzige Bibelstelle zu gründen, besonders dann nicht, wenn es sich um eine schwierige oder unklare Stelle handelt (wie es hier der Fall ist).
Dies gilt umso mehr, wenn die Praxis etwas so Weitreichendes wie den Ausschluss der Hälfte der Gemeinde von wichtigen Positionen und Aktivitäten geht. Ein Haus baut man nicht mit einem einzigen Ziegelstein.
Frauen in Ephesus oder Frauen allgemein?
Ein weiteres Prinzip der Bibelauslegung ist die Berücksichtigung des historischen Hintergrunds. Wir können nicht davon ausgehen, dass Paulus in seinen Briefen durchgehend klare und allgemeingültige Regeln aufstellt. Paulus reagiert; irgendetwas geht vor sich. Wenn wir verstehen, was dieses Etwas ist, können wir besser verstehen, was Paulus seinen Lesern sagen will.
In 1. Timotheus geht es um ernste Probleme in der Gemeinde mit falschen Lehren; manche Frauen sind bei deren Verbreitung involviert. Dies zu erkennen, eröffnet die reale Möglichkeit, dass Paulus keine allgemeinen Grundsätze schreibt, sondern konkrete Anweisungen gibt, wie man mit dieser Situation umgehen kann.
Ein zweiter Punkt, der sich auf den Kontext bezieht: Normalerweise wird davon ausgegangen, dass es sich um Anweisungen für den öffentlichen Gottesdienst handelt, aber Westfall (2016: 286f) weist darauf hin, dass Paulus vom Gebet „an allen Orten“ spricht. Mit anderen Worten, die Richtlinien beziehen sich nicht oder nicht nur auf Gemeindeversammlungen. Dies wird durch die Tatsache bestätigt, dass das Gebären, wovon später in dieser Bibelstelle die Rede ist, normalerweise nicht in einem Gottesdienst stattfindet. Zudem wechselt 1. Timotheus 2,11-15a überraschenderweise vom Plural in den Singular für Frau und Mann, was darauf hindeuten könnte, dass es sich um private und nicht um öffentliche Aktivitäten handelt: Ehemann und Ehefrau zu Hause, nicht Mann und Frau im Gottesdienst (so ebd.: 288f).
Was für ein Text ist 1. Timotheus?
Ein dritter und letzter Punkt, der sich auf den Kontext bezieht: Wir müssen auch berücksichtigen, um welche Art von Brief es sich handelt. 1 Timotheus ist nicht an eine Gemeinde geschrieben. Der Brief ist zwar keine private Mitteilung; wie der Titusbrief ist er ein schriftlicher Auftrag, der Timotheus ermächtigt, sich mit der Situation der Gemeinde in Ephesus auseinanderzusetzen. Aber er ist persönlich, an eine Einzelperson geschrieben, nicht an eine Gemeinde oder eine Gruppe von Gemeinden.
Timotheus ist seit vielen Jahren ein vertrauter Mitarbeiter von Paulus. Paulus kann davon ausgehen, dass sie auf der gleichen Linie sind. Es besteht keine Notwendigkeit, Dinge zu erklären oder eine Vorgehensweise zu verteidigen. Paulus kann vieles als selbstverständlich voraussetzen.
Das macht den Brief für uns schwieriger, weil wir nicht in dem Maße Bescheid wissen wie Timotheus.
Anstatt also die anderen Briefe des Paulus, die an eine breitere Leserschaft gerichtet sind, im Licht von 1. Timotheus zu lesen (wie es oft getan wird, wenn es um Frauen geht), sollten wir das Gegenteil tun: 1. Timotheus im Licht dieser allgemeineren Briefe von Paulus lesen, in denen er ausführlichere Erklärungen liefert. Inwiefern könnten uns diese Briefe helfen, 1. Timotheus zu verstehen?
Was entscheidet, die Begabung oder das Geschlecht?
Wenn es um verschiedene öffentliche Dienste in der Gemeinde geht, schreibt Paulus ausführlich in Römer 12,1-8, 1. Korinther 12-14 und Epheser 4,7-16. Es gibt eine wunderbare Vielfalt an Gaben und Diensten, die den Leib Christi ausmachen.
Wer oder was bestimmt die Verteilung der Gaben? Die Antwort liegt auf der Hand: Es ist der Geist Gottes. Es geht immer um ein Geschenk der Gnade, das ohne vorherige Gegenleistung gegeben wird. Es hängt demnach vom Geber ab, nicht vom Empfänger. Es scheint, dass von allen Mitgliedern erwartet wird, dass sie begabt und aktiv sind; Paulus beschränkt seinen Appell nicht auf die Männer in Rom, Korinth und Ephesus. Das Geschlecht des Empfängers spielt in den Texten zur Gabenvielfalt keine Rolle.
Sollten wir nun auf die unklare Aussage in 1. Timotheus 2,12 zurückgreifen, um diese Einschränkung einzubringen? Oder sollten wir eher auf der Grundlage von Paulus’ allgemeiner, umfassender Lehre über Dienste in der Gemeinde an anderer Stelle zu dem Schluss kommen, dass Gaben nicht vom Geschlecht abhängen und daher „etwas anderes“, etwas Außergewöhnliches, hinter 1. Timotheus 2 steckt?
Abschließend möchte ich sagen, dass wir, noch bevor wir uns im Detail mit 1. Timotheus 2 befasst haben, starke Argumente dafür haben, dass Frauen lehren und führen dürfen. In 1. Timotheus 2,8-15 geht es um etwas anderes, das Paulus dazu bringt, ungewöhnliche Anweisungen zu erteilen, die von seiner üblichen Praxis abweichen.
Was wir beachten müssen
Um das „etwas anderes“ in 1. Timotheus 2,8-15 zu verstehen, müssen wir (a) ein einzigartiges Wort, (b) die genaue Natur des Verbots, (c) die Logik des Paulus in Bezug auf Adam und Eva und (d) die Verheißung der Erlösung durch, so wörtlich, die Kindergeburt betrachten.
Die Schwierigkeiten sind real und bedeutend. Es ist nicht so, dass die klare und offensichtliche Anweisung des Textes uns nicht gefällt und wir deswegen nach einem Ausweg suchen. Die Bibelstelle ist schwierig. Daher sollte sie nicht unser Anfangspunkt und noch weniger unser Grundstein für das Nachdenken über weibliche Führung sein: Man baut ja kein Haus mit einem einzigen Ziegelstein.
Ein einzigartiges Wort: authentein
Das fragliche Wort ist ein Verb, authentein. Wie bei Haupt (Gr. kephale) in 1. Korinther 11 und anderen Bibelstellen ist seine Bedeutung sehr umstritten. (Für eine umfangreiche, aber bei weitem nicht vollständige Bibliographie siehe Westfall 2016: 290f. Für eine ausführliche Behandlung siehe Westfall 2014.)
Anders als Haupt wird authentein jedochim gesamten NT nur einmal verwendet. Das sollte uns zu denken geben. Warum gebrauchte Paulus ein so seltenes Wort? Auch im Griechischen ist es selten; 1. Timotheus 2 ist das erste Vorkommen des Verbs, das wir kennen (ebd.; verwandte Wörter kommen schon früher vor, aber nicht das Verb). Wenn Paulus von Autorität in der Gemeinde hätte sprechen wollen, hätte es andere Worte gegeben, die häufiger gebraucht wurden. Warum diese ungewöhnliche Wortwahl?
Authentein wird oft übersetzt mit Autorität haben oder Autorität ausüben. Neuere englische Übersetzungen verwenden manchmal sich Autorität anmaßen. Die Luther-Bibel übersetzt Herr sein. Dies macht uns auf eine weitere Frage aufmerksam, die mit der Bedeutung von authentein zusammenhängt: Ist die fragliche Tätigkeit neutral, wie bei Autorität haben? Oder ist die Aktivität negativ, wie bei sich Autorität anmaßen? Es wird in der Regel davon ausgegangen, dass die Aktivität für Frauen tabu ist, aber für Männer akzeptabel oder sogar richtig ist. Aber wie Cynthia Westfall (2016: 292f) betont:
… Das Verbot dieser Handlung für Frauen ist keine Billigung der Handlung durch Männer, wie oft angenommen wird. Tatsächlich findet sich die Textstelle, die 1. Timotheus 2,12 am Nächsten kommt, in den Predigten des Chrysostom [347–407] über den Kolosserbrief, wo er den Ehemännern befiehlt, ihre Frauen nicht zu authentein.“
Und:
Von den über dreihundert Vorkommen des Verbs in der Datenbank des TLG [Thesaurus Linguae Graecae] hat jedoch niemand einen Fall identifiziert, in dem es sich auf irgendeine Art von wohlwollender Seelsorge für eine Person oder Gruppe durch einen Pastor oder Kirchenbeamten bezieht. (ebd.: 35)
Westfall ist die erste, die in ihrer Untersuchung des Begriffs die moderne Sprachtheorie systematisch auf diese Frage anwendet. Dazu gehört u.a., darauf zu achten, wie ein Wort in verschiedenen Kontexten und Umgebungen verwendet wird (z. B. in einer öffentlichen Gemeindeversammlung und im privaten Umfeld zuhause). Es bedeutet auch, zwischen Verwendungen mit oder ohne Objekt zu unterscheiden, und wenn es ein Objekt gibt, zu beachten, ob es sich bei dem Objekt um eine Person oder um einen unpersönlichen Gegenstand handelt. Was man in gutem Gewissen einem Gegenstand oder einer Abstraktion antun kann, ist eventuell unakzeptabel, wenn es sich um eine Person handelt (Westfalls Beispiel ist die Ausrottung des Analphabetismus im Vergleich zur Ausrottung von Analphabeten; 2014: 169).
Eine entscheidende Frage in einer solchen Untersuchung ist, welche Grundbedeutung unterschiedliche Verwendungen eines Begriffs haben.
Westfall (2014: 171) kommt nach Analyse aller relevanten Ereignisse zu dem Schluss, dass die dem Verb zugrunde liegende Bedeutung der autonome Gebrauch oder Besitz unbeschränkter Gewalt oder Kraft ist. Wenn der Begriff mit Menschen und nicht mit Objekten oder Handlungen als Objekt verwendet wird, hat das Verb eine ausgesprochen negative Bedeutung, mit zwei Ausnahmen.
Die erste ist die Anwendung von Zwang oder Gewalt, die rechtmäßig von Regierungsvertretern oder in einem Urteil Gottes angewendet wird. Die zweite ist die Verwendung durch die späteren Kirchenväter (erst ab 370 n. Chr.) für kirchliche Autorität. In diesem Fall – allerdings nur in diesem Fall – stimmt die Übersetzung Autorität haben. Diese Bedeutung ist deshalb für 1. Timotheus, 300 Jahre früher, nicht relevant.
Wie Westfall es sagt:
Im griechischen Korpus bezieht sich das Verb authenteo auf eine Reihe von Handlungen, die sich nicht auf Mord [ja, das Verb kann auch diese Bedeutung haben] oder Gewalt beschränken. Die Menschen, die das Ziel dieser Handlungen sind, werden jedoch geschädigt, gegen ihren Willen gezwungen (genötigt), oder zumindest wird ihr Eigeninteresse außer Kraft gesetzt, weil die Handlungen das Aufzwingen des Willens des Subjekts gegen den Willen des Empfängers beinhalten, der von Entehrung bis hin zu tödlicher Gewalt reicht. (Westfall 2016: 292)
Letzten Endes bleibt uns ein gewisses Maß an Unsicherheit. Es besteht die Möglichkeit, dass Paulus auf etwas ganz Bestimmtes reagiert, das mit der Irrlehre in Ephesus zusammenhängt, für die authentein der perfekte Begriff war. Catherine Clark Kroeger (Kroeger und Kroeger 1992) war die erste, die einen solchen Vorschlag unterbreitete. Sie übersetzte das Wort behaupten, der Autor/die Autorin oder der Urheber/ die Urheberin von etwas zu sein (ebd.: 99-103) und argumentierte, dass Lehrerinnen behauptet hätten, dass Eva zuerst erschaffen wurde und Adam Leben und eventuell auch Erleuchtung oder Wissen schenkte (ebd.: 117ff).
Diese und andere Versuche, den Hintergrund zu rekonstruieren, wirken oft spekulativ; 1. Timotheus gibt uns keine ausreichenden Informationen. Wenn eine solche Irrlehre tatsächlich der Grund für die Verwendung von authentein ist, werden wir vielleicht nie erfahren, worauf es sich genau bezieht.
Alternativ kann sich authentein auf kulturell unangemessenes Verhalten von Frauen damals beziehen. Höchstwahrscheinlich geschah dies eher im Haushalt als im Kontext der Gemeinde. Wenn dem so ist, lässt es sich vielleicht am besten mit dominieren übersetzen, obwohl eine solche Übersetzung angesichts des Schocks, die ein solches Verhalten verursacht hat, etwas schwach ist.
In beiden Fällen gilt:in den Tagen des Paulus hatte authentein nicht das legitime Unterrichten und Führen durch Frauen im Blick; es geht hier nicht um Gemeindeleitung oder ein pastorales Amt. Und authentein kommt auch für Männer nicht in Frage:
Folglich stellt das Verbot in 1. Timotheus 2,12b, das die Art und Weise einschränkt, wie sich eine Frau gegenüber einem Mann verhalten sollte … kein umgekehrtes Mandat oder Gebot für einen Mann dar, sich seiner Frau gegenüber wie ein Herr zu verhalten, oder für Männer, sich gegenüber den Frauen in der Gemeinde so zu verhalten. Hier verbietet Paulus einer Frau, einen Mann zu unterwerfen, zu kontrollieren oder zu missbrauchen, aber er befiehlt einem Mann niemals, eine Frau zu unterwerfen, zu kontrollieren, zu beherrschen oder zu missbrauchen, obwohl ein solches Verhalten in der griechisch-römischen Kultur akzeptabel war. (Westfall 2016: 75)
Was ist verboten?
Bevor wir das Verbot weiter untersuchen, sollten wir die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass es auch ein positives Gebot gibt: „Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung“ (1. Tim. 2,11). Die meisten Frauen in der Versammlung waren um Jahre jünger als ihre Männer. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten sie ein weitaus geringeres Bildungsniveau. Deshalb sollten sie lernen – indem sie unterrichtet wurden, höchstwahrscheinlich von ihren Ehemännern zu Hause, wo sie die Lehre, die Timotheus nicht direkt an Frauen vermitteln konnte, weitergeben sollten. Paulus leitet einen Prozess ein, um die Irrlehre in der Gemeinde auszumerzen.
Dass Frauen in der Regel nicht einmal über eine Grundbildung verfügten, mag bei dem anschließenden Verbot durchaus eine Rolle spielen: Diese Frauen waren einfach (noch) nicht qualifiziert zu unterrichten. Die wenigen gebildeten Frauen in der Gemeinde sollten sich zu Hause ebenfalls zurückhalten; sie sollten nicht die kulturellen Rollen vertauschen und ihre Ehemänner herumkommandieren. Wenn Frauen wegen ihrer relativen Unwissenheit von der Irrlehre besonders betroffen waren und vielleicht auch eine Rolle bei der Verbreitung spielten, dann macht es Sinn, dass Paulus sie von Lehrtätigkeiten ausschließt – nicht alle Frauen immer und überall, aber die Frauen in Ephesus zu dieser Zeit. Zuerst mussten die Frauen richtig unterrichtet werden.
Mit dem Verbot selbst stehen wir vor einer entscheidenden Frage. Es gibt zwei Möglichkeiten, es zu lesen. Verbietet Paulus ein oder zwei Aktivitäten?
Bilden die beiden Elemente in Vers 12 eine einzige Idee oder Handlung, lehren&authentein?Der Fachausdruck dafür ist hendiadys, zwei aus einem. In diesem Fall definieren sich die beiden Hälften gegenseitig. Aber dann geht es hier nicht einfach nur um das Unterrichten an sich. Die Kombination mit authentein gibt dem Unterrichten eine ausgesprochen düstere und negative Drehung: Es ist diese Art von Lehre, und nur diese Art, die verboten ist. Es bleibt unklar, um welche Art von Lehre es sich handelt, aber es handelt sich sicherlich nicht um eine ansonsten legitime Form des kirchlichen Dienstes. Falsch ist nicht, dass Frauen unterrichten, sondern dass der Unterricht in Kombination mit authentein stattfindet.
Es könnte aber auch sein, dass Paulus zwei unterschiedliche Verbote ausspricht. In diesem Fall steht das Lehrverbot für sich, unabhängig von authentein. Dies führt zu einer höchst problematischen Lesart: Paulus erlaubt einer Frau nicht, zu lehren – Punkt!
Kein Schulunterricht. Keine Sonntagsschule. Keine Unterweisung von Frauen durch Frauen (im Widerspruch zu Titus 2,3f). Natürlich könnte man argumentieren, dass das Verbot nur für einen kirchlichen Kontext gilt. Das würde immer noch die Sonntagsschule und das Unterrichten von Frauen ausschließen.
Ein Traditionalist, also jemand der den Ausschluss von Frauen aus dem Amt des Pastors aufrechterhalten will, der Frauen als Älteste oder Prediger ablehnt, aber Frauen kein universales Lehrverbot erteilen will, hat jetzt diese zwei Möglichkeiten:
- Hendiadys: Die beiden Elemente des Verbots bezeichnen in der Tat nur eine Art von Aktivität. Der Traditionalist geht davon aus, dass es sich beim Verbot um ein kirchliches Umfeld handelt (was etwas zweifelhaft ist); authentein muss bedeuten, Autorität haben (obwohl wir schon festgestellt haben, dass es diese Bedeutung nicht haben kann), und deshalb sollen Frauen von kirchlichen Ämtern ausgeschlossen werden.
- Erweiterung des Zusatzes „über den Mann“, der das Verb authentein qualifiziert, auf das Verb lehren. An dieser Stelle brauchen wir ein wenig griechische Grammatik. Westfall (2016: 77) weist darauf hin, dass authentein den Genitiv hat; im Urtext ist Mann also eine Genitivform. Aber das Verb lehren hat nicht den Genitiv. Mann qualifiziert somit nicht das Verb lehren. Paulus sagt nicht: „Ich gestatte einer Frau nicht, einen Mann zu lehren.“
Wenn Paulus hier ein universelles, nicht ein orts- und zeitgebundenes Gebot erlässt, dann geht es um mehr als nur um ein kirchliches Amt. Er würde eine Einschränkung für Frauen anordnen, die so umfassend und absolut ist, dass heute praktisch niemand mehr bereit ist, sie konsequent umzusetzen.
Die Logik von Adam und Eva: Die Heilige Schrift als Illustration und Parallele
In 1. Timotheus 2,13 gibt Paulus einen Grund für … was genau? Für das Verbot in Vers 12? Das wird oft gedacht. Dass Frauen nicht lehren sollen, ergibt sich irgendwie aus der Ordnung der Schöpfung (und Evas Täuschung). Seltsame Logik: Wer der Erste ist, soll nicht von demjenigen belehrt (oder geführt) werden, der später kommt? Das Buch Genesis folgt dieser Logik nicht:
In der gesamten Erzählung in 1. Mose ist von Anfang an klar, dass jemand, der zuerst kommt oder zuerst geboren wurde, nicht unbedingt Autorität besaß. Das Erstgeburtsrecht unter Brüdern wurde ständig untergraben, so dass 1. Mose nicht als Argument für männliche Autorität herangezogen werden kann, die darauf beruht, dass Adam zuerst geschaffen wurde. (Westfall 2016: 78)
Die Alternative wird gewöhnlich übersehen: Paulus könnte Vers 13 mit Vers 11 verknüpfen und erklären, warum Frauen in der Stille lernen sollen. Schließlich wird diese Idee der Stille als Einstellung am Ende von Vers 12 wiederholt.
Und die Funktion der Genesis-Erzählung hier ist vielleicht nicht biblische Wahrheit und Dogma, sondern „nur“ die eines Gleichnisses, einer Parallele zur Situation der Frauen in Ephesus: irregeführt wie Eva. Und da die Männer vor ihren Frauen Bildung und Lehre erhalten hatten, konnten sie ihre Frauen unterrichten – genau wie Adam in 1. Mose 2f, der Gottes Gebot aus erster Hand kannte. Auch hier könnte Paulus einfach nach einem Weg suchen, um dem Einfluss der Irrlehre in Ephesus entgegenzuwirken:
Wenn Paulus nicht einen falschen Mythos richtigstellt [die Ansicht von Kroeger und Kroeger 1992: Eva wurde zuerst erschaffen und bot Adam Erleuchtung an, eine mögliche Deutung, die aber unmöglich zu beweisen oder zu widerlegen ist], oder den Grund für die Müttersterblichkeit erklärt, verwendet er vielleicht Typologie, um eine Art Reihenfolge in der geistlichen Bildung bei der Korrektur von Täuschung und falscher Lehre anzuzeigen. In Timotheus 1 und 2 ist Paulus darauf bedacht, die Weitergabe der anvertrauten Lehre sorgfältig zu überwachen. Es könnte Sinn machen, dass Paulus den Männern in Ephesus als denjenigen vertraut, die zuerst geistlich gebildet sind oder werden, um die Weitergabe des Anvertrauten zu Hause zu überwachen und das Problem der Irreführung und der falschen Lehren unter den Frauen zu korrigieren … (ebd.: 79)
Kurz gesagt, entweder korrigiert Paulus die verzerrte Geschichte über Adam und Eva, die in Ephesus kursiert, oder er zieht eine Parallele zwischen der Situation in Ephesus und Adam und Eva im Garten.
Die Logik von Adam und Eva: Evas Täuschung
Die eigentliche traditionelle Position, die heute selbst von den standhaftesten Konservativen nur noch selten vertreten wird, rechtfertigt den Ausschluss der Frauen schlicht und unverblümt mit ihrer Minderwertigkeit. Frauen sind den Männern unterlegen, wie schon bei Eva sichtbar wird; deshalb sollten Frauen keine Männer lehren oder führen. Diese Position hat immerhin eine gewisse Logik: Warum sonst sollte Evas Verführung dazu führen, dass allen Frauen verboten wird, zu unterrichten?
Die vermeintliche Minderwertigkeit der Frau wurde vor allem mit ihrer vermeintlich größeren Anfälligkeit für Täuschungen erklärt.
Problem 1: Führt das zu einer gewissen Mitverantwortung Gottes als Schöpfer für diese weibliche Schwäche?
Problem 2: Disqualifiziert Adams willentlicher und bewusster Ungehorsam gegen Gottes Gebot ihn und alle anderen Männer nicht gleichermaßen für jede Führungsrolle?
Problem 3: Wie bei vielen vermeintlichen Unterschieden zwischen den Geschlechtern haben wir es mit Statistiken und Durchschnittswerten zu tun. Auch wenn der Durchschnitt unterschiedlich ist, gibt es erhebliche Überschneidungen zwischen den Geschlechtern. Männer mögen im Durchschnitt körperlich stärker sein als Frauen, aber viele Frauen sind dennoch stärker als viele Männer. Wenn es also einen Unterschied in der Anfälligkeit für Täuschung zwischen Männern und Frauen gibt, werden einige Männer immer noch anfälliger sein als viele Frauen.
Problem 4: Die Forschung hat jedoch einen solchen Unterschied in der „Täuschungsfähigkeit“ nicht bestätigt, nicht einmal in Form eines Durchschnittswertes. Frauen sind nicht anfälliger für Täuschungen als Männer. Und Paulus ist überhaupt nicht der Ansicht, dass sich Männer nicht täuschen lassen:
Man kann nicht behaupten, dass Paulus Männer im übrigen paulinischen Korpus oder sogar in den Pastoralbriefen als weniger anfällig für Täuschung beschreibt als Frauen. Auch wenn Eva eine Frau war, ist nach Paulus die Möglichkeit, von Satan oder der Sünde versucht oder getäuscht zu werden, eine universelle Erfahrung. Evas Täuschung ist ein paradigmatisches Beispiel für den menschlichen Zustand. (Westfall 2016: 111)
Das bringt uns zurück zu der Idee, dass Paulus 1. Mose 2f nicht als biblische und universelle Wahrheit über männlich und weiblich verwendet, sondern als Veranschaulichung: ein Beispiel. Die Frauen in Ephesus befinden sich in der Position Evas, und die Männer sind in der Position Adams, den Frauen voraus und daher aufgerufen, zu lehren:
Der Text in 1. Timotheus 2,14 verallgemeinert Evas Täuschung nicht als ein Muster aller Frauen, und der Text verlangt eine solche Verallgemeinerung nicht, zumal Paulus einfach die Genesis-Erzählung zusammenfasst. Es ist sicher, dass der Bericht über den Sündenfall für das Gebot an eine Frau zu lernen und die Verbote in 1. Timotheus 2,11-12 relevant ist, aber diese Relevanz kann leicht im Zusammenhang mit den falschen Mythen, der falschen Lehre und der Irreführung unter den Frauen von Ephesus gefunden werden. (ebd.: 118)
Noch ein Gedanke dazu: Unabhängig davon, was Eva falsch gemacht hat und welche Folgen es für Frauen hatte, sollte das Kreuz dem ein Ende setzen:
Wie können wir angesichts dessen, was Jesus Christus für die Menschen getan hat, verstehen, wie sich das Werk Jesu Christi auf die Folgen des Sündenfalls für Frauen auswirkt? Wenn es für diejenigen, die in Christus sind, keine Verurteilung gibt, dann sollten Frauen nicht länger Schuldgefühl, Scham, Konsequenzen oder Einschränkungen für Evas Verhalten ertragen, genauso wenig wie Männer für Adams Verhalten. Wenn Frauen vom Heiligen Geist geleitet werden, dann werden sie mit dem Leben und der Gerechtigkeit Jesu Christi identifiziert. Sie werden nicht mit Evas Übertretung des Gebotes Gottes oder irgendeiner zusätzlichen Anfälligkeit für Täuschung und Sünde identifiziert. Um konsistent zu sein, kann Paulus’ narrative Zusammenfassung von Evas Handlungen im Sündenfall nicht der Grund oder die Rechtfertigung für Verbote oder Einschränkungen im Leib Christi sein, sonst müssten wir sagen, dass die Handlungen Evas außerhalb der Wirkung des Todes Jesu Christi liegen. (ebd.: 129)
Exkurs: „Die Frau“
Manchmal (so David Hamilton in Cunningham et al. 2014: 213-16) wird darauf hingewiesen, dass 1. Timotheus 2,14 von „Eva“ zu „der Frau“ übergeht. Es wird dann argumentiert, dass dies ein Hinweis auf eine bestimmte Frau in Ephesus ist, die die Quelle der falschen Lehre war. Auch vorher schon, so wird argumentiert, hat Paulus diese Frau im Sinn. Deshalb betreffe das Verbot auch sie, nicht Frauen im Allgemeinen: „Ich gestatte dieser Frau nicht, zu lehren“.
Ich finde diese Ansicht nicht überzeugend. In den Versen 10 und 11 verwendet Paulus den Plural Frauen. In den Versen 12 und 13 verwendet er zwar den Singular Frau, aber ohne einen Artikel. Dies deutet darauf hin, dass er nicht an eine bestimmte Frau denkt. Zu diesem Zeitpunkt wurde noch auf keine einzelne Frau hingewiesen, so dass der Leser nicht wissen könnte, welche Frau Paulus meint. Erst in Vers 14 spricht Paulus von „der Frau“. Die Nähe von Vers 13 und der Verweis auf Eva dort machen Eva zur offensichtlichen Bezugsperson. Keine andere Frau ist in Sicht.
Erlösung durch Kindergebären
Wir kommen nun zum merkwürdigsten Element des Abschnitts: die Errettung durch das Kindergebären oder durch die Kindergeburt (1. Tim. 2,15; wo Luther selig werden übersetzt, heißt es wörtlich erlösen oder erretten). Es gibt unterschiedliche Erklärungen. Viele haben eine Verbindung zur Geburt Jesu gesehen, mit ihm als dem Kind, das rettet. Das rettet zumindest die Rechtfertigung durch den Glauben, nicht durch Werke.
Andere haben argumentiert, dass die Geburt hier eine Synekdoche (ein Teil fürs Ganze) ist, die das gesamte christliche Leben repräsentiert, das von einer Frau als Mutter und Ehefrau erwartet wird, von der Geburt über die Kindererziehung bis hin zur Sorge für eine Familie.
Die Alternative ist, die Erlösung oder Errettung wörtlich zu nehmen:
Eine Frau wird sicher durch die Geburt gebracht. [Diese] Ansicht hat die geringste Unterstützung gefunden, aber sie ist die wahrscheinlichste Lesart im Lichte des Kontexts des Briefes, der Verbindungen des Abschnitts zu 1. Mose 2-3 und der Anliegen der Frauen in Ephesus … Die Hinweise auf Evas Rolle im Schöpfungs- und Sündenfall in 1. Mose 2-3 sind mit den Konsequenzen verbunden, die Gott Eva verkündete, so dass der Hinweis auf die Geburt am natürlichsten als Anspielung auf 1. Mose 3,16-7 verstanden werden kann: „Und zur Frau sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein.“ …
Der Verweis auf die Geburt ist der abschließende und hervorstechendste Teil der Anweisungen des Paulus an die Frauen, was Sinn macht, wenn Paulus ein wesentliches legitimes Anliegen anspricht, das Frauen anfällig für Irrlehre machte …
Die Geburt war und ist für Frauen ein komplexes Problem in Bezug auf Überleben und Lebensqualität, so dass die Verheißung von Schutz bei der Geburt ein entscheidendes empfundenes Bedürfnis anspricht …
Der Einwand, dass Frauen immer noch an der Geburt gestorben seien, erkennt die spezifischen Bedingungen der Verheißung im Abschnitt nicht an und entkräftet parallele biblische Verheißungen von Heilung und Rettung. (Westfall 2016: 129-132)
Wegen der klaren Verbindung zu Genesis 2f halte ich das für eine überzeugende Erklärung. Vor allem, wenn man die Artemis-Verehrung in Ephesus bedenkt:
Artemis war die Schutzgöttin der Stadt Ephesus, und sie war buchstäblich die Retterin, zu der sich die Frauen wandten, um Sicherheit und Schutz bei einer Geburt zu erhalten. Ihre Rolle im Leben der Frauen wird in der griechischen Mythologie illustriert, wo sie als Hebamme ihrer eigenen Mutter dient. (ebd.: 136)
1. Timotheus 2,15 zeigt eine interessante Verschiebung vom Singular zum Plural: Sie wird gerettet werden, vorausgesetzt, dass sie bleiben… Wer sind „sie“? Frauen? Aber warum dann der Wechsel von einem Singular- zu einem Pluralpronomen?
Wahrscheinlich sollten wir an Mann und Frau denken. Wie Westfall argumentiert:
Dies wird auch durch das Gebot in Vers 11 unterstützt, dass eine „Frau/Ehefrau“ [ein griechisches Wort mit zwei möglichen Bedeutungen; das gleiche gilt für „Mann/Ehemann“] lernen soll, durch den Verweis auf Adam und Eva in den Versen 13-14 und durch die Verwendung des Singulars „Frau/Ehefrau“ und „Mann/Ehemann“ mit den Verboten in Vers 12. Das Gebot, dass eine Frau lernen soll, legt nahe, dass sie von ihrem Mann zu Hause unterrichtet werden sollte, so wie Paulus es in 1. Korinther 14,35 anordnet. Außerdem stellen Adam und Eva die prototypische Beziehung zwischen Ehemann und Ehefrau dar … Mit der Schlussfolgerung, die sich mit dem Gebären durch eine Frau befasst, wird bestätigt, dass der gesamte Abschnitt sich auf das familiäre Umfeld bezieht … Der grammatikalische Bezug in Vers 15, der dem Plural „sie“, die im Glauben, in der Liebe und in der Heiligkeit mit Selbstbeherrschung fortfahren müssen, am nächsten kommt, wäre Frau und Mann (Ehefrau und Ehemann) in Vers 12, in den Versen 13-14 von Adam und Eva auch typologisch repräsentiert.
Einem Ehemann die Mitverantwortung für die Sicherheit seiner Frau bei der Geburt zu übertragen, wäre relevant, revolutionär und effektiv gewesen. Männer kontrollierten die Größe der Familie und die Ressourcen, die eine bessere Fürsorge, Gesundheit und Sicherheit während der Schwangerschaft und Geburt gewährleisten konnten. Darüber hinaus war es üblich, dass Männer ihren Frauen unsichere Abtreibungen als eine Form der Geburtenkontrolle anordneten. (ebd.: 138f)
Paulus erkennt das berechtigte Risiko, das die Geburt für Frauen darstellt (Müttersterblichkeit), und ermutigt den Mann und die Ehefrau, Gott zu vertrauen, dass er die Frau während der Geburt beschützt. Er bietet auch pragmatische Hilfe an, indem er beiden befiehlt, einander mit Liebe, Heiligkeit und Selbstbeherrschung zu begegnen (ebd.: 312)
Ob bei der Errettung von Sünde und Tod oder bei der Errettung während der Schwangerschaft und Geburt ist Jesus, nicht Artemis, der wahre Erlöser. In jeder Hinsicht.
Deshalb gibt es in Christus kein „Zutritt verboten“-Schild für Frauen in Gemeindeleitung und Lehre – nicht einmal in 1. Timotheus 2,12.
Bildnachweis
Sammy-Sander. 2021 <https://pixabay.com/photos/kidnapping-kidnap-crime-abuse-5923532/> CC0
Andrewlister. 2010 <https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Brick.jpg> Public Domain
SyauqiFillah. 2020 <https://pixabay.com/photos/studying-teacher-students-sunset-5831644/> CC0
PublicDomainPictures. 2012 <https://pixabay.com/photos/no-access-no-entry-fence-keep-out-71233/> CC0
Falco. 2015 <https://pixabay.com/photos/adam-and-eve-church-window-church-798376/> CC0
Bhatigajendra. 2019 <https://pixabay.com/photos/pregnant-woman-belly-pregnancy-4442859/> CC0
Literaturangaben
Bibelzitate, wenn nicht anders angegeben: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. 1999. Revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft)
Titel und Schluss mit Hilfe von ChatGPT erstellt.
Cunningham, Loren, David J. Hamilton, and Janice Rogers. 2014. Why Not Women? A Fresh Look at Scripture on Women in Missions, Ministry, and Leadership (Seattle, WA: YWAM Publishing) (bezahlter Link)
Kroeger, Richard Clark, and Catherine Clark Kroeger. 1992. I Suffer Not a Woman: Rethinking 1 Timothy 2:11-15 in Light of Ancient Evidence (Grand Rapids, MI: Baker Book House) (bezahlter Link)
Westfall, Cynthia Long. 2014. ‘The Meaning of Αὐθεντέω in 1 Timothy 2.12’, Journal of Greco-Roman Christianity and Judaism, 10: 138-73
———. 2016. Paul and Gender: Reclaiming the Apostle’s Vision for Men and Women in Christ (Grand Rapids, MI: Baker Academic) (bezahlter Link)
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