Gott als Krieger? (Boyd-Projekt 5)

Es ist an der Zeit, zu einem Abschluss zu kommen. Wie funktioniert Boyds kreuzförmige Hermeneutik in der Praxis der Schriftauslegung? Im ersten Band von The Crucifixion of the Warrior God stellt Boyd das Kreuz als Zentrum und Fundament christlicher Theologie dar. Daraus leitet er ab, was Gott gesagt und getan haben kann und was nicht. Darstellungen im AT von Gott als gewalttätig stehen im Widerspruch zu seinen Schlussfolgerungen. Im zweiten Band stellt Boyd seine Lösung für dieses Problem vor: vier Prinzipien, die erklären, was in solchen Bibelstellen „wirklich vor sich geht“. Dabei lässt Boyd keine offenen Fragen zu. Das Buch stellt ein geschlossenes System dar, das nun dem Text des AT auferlegt werden kann.

Die vier Prinzipien sind:

  • Kreuzförmige Akkommodation
  • Rückzug (mit Erlösung als Zweck)
  • Kosmischer Konflikt
  • Delegierte Macht

Ich werde kurz auf jeden dieser Grundsätze eingehen.

Diesen Brief gibt es in Englisch auch als VIDEO PODCAST und als AUDIO PODCAST

Die vorliegende Ausgabe ist die fünfte und letzte, die sich mit Gregory Boyds Buch über Gewalt im AT befasst: The Crucifixion of the Warrior God: Interpreting the Old Testament’s Violent Portraits of God in Light of the Cross (Die Kreuzigung des Kriegergottes: Interpretation der Gewaltporträts Gottes im Alten Testament im Licht des Kreuzes; 2017).

Passt Gott sich an oder wird er angepasst?

Das erste Prinzip ist das der kreuzförmigen Akkommodation. Ich sehe zwei Probleme. Erstens ist mir unklar, wie das Prinzip sich von dem unterscheidet, was in Band 1 behandelt wurde. Bereits dort argumentierte Boyd, dass der Inhalt der kreuzförmigen Hermeneutik eine göttliche Anpassung ist. Dies erscheint nun wieder als Prinzip. Boyd beabsichtigt eindeutig, zwischen der Hermeneutik und dem Prinzip zu unterscheiden. Obwohl ich mich bemüht habe, gelingt es mir aber nicht, den Unterschied zu sehen.

Zweitens geht Boyd weit über ein herkömmliches Verständnis von Akkommodation hinaus, ohne offen und klar darauf hin zu weisen. Traditionell wurde Akkommodation immer als etwas verstanden, das Gott tut: Anpassungen, die er vornimmt, damit die Menschen ihn verstehen. Für Boyd geht es darüber hinaus auch um das, was die Menschen mit Gott machen, damit er ihren kulturellen Vorurteilen entspricht.

Boyds dogmatisches Beharren auf Gewaltlosigkeit als Norm führt ihn zur Annahme, dass Gott nie in Gewalt verwickelt war. Gott kann Gewalt weder anordnen noch selbst anwenden. Wenn Gott im Text gewalttätig dargestellt wird, muss dies also die Folge einer menschlichen Verzerrung sein, die Gott zugelassen hat.

Passt Gott sich an, indem er sich auf die Ebene der Menschen herablässt, damit sie ihn verstehen können, oder stellen Menschen ihn falsch dar? Das ist die entscheidende Frage. Im AT wird Gott zum Beispiel als göttlicher Kriegsheld dargestellt. Das ist Akkommodation; aber wer nimmt sie vor? Hat sich Gott so offenbart oder vermitteln Menschen ein falsches Bild von ihm? Entsteht das Bild, wie Boyd meint, aus „der kulturell bedingten [und sündhaften!] Denkweise“ menschlicher Schriftsteller (Boyd 2017: 703)? Sind es ihre “verdrehten Wege”, die Gottes wahren Charakter verzerren und zu Darstellungen führen, die Gott in sündiger Tätigkeit (Gewalt!) zeigen? Wenn Boyd recht hat, spricht die Bibel in wesentlichen Teilen nicht wahrheitsgemäß über Gott.

Es macht einen Unterschied, ob Gott aktiv menschliche Beschränkungen berücksichtigt oder sich passiv von Menschen, die ihre eigenen Missverständnisse auf ihn projizieren, verzerrt darstellen lässt. Dinge, die Gott nie gesagt oder getan hat, werden ihm trotzdem zugeschrieben, einschließlich Dinge, die geradezu sündhaft sind. Boyd scheint diesen Unterschied nicht zu erkennen. Argumente für die erste Art der Akkommodation (die allgemein akzeptiert wird; Gott tut dies offensichtlich, z.B. wenn es um Polygamie geht) werden als Beweis für die zweite Art behandelt.

Eine weitere Konsequenz: Krieg ist immer ein Mangel an Vertrauen seitens Israels, so Boyd. Wenn Israel das Schwert in die Hand nimmt, drückt es damit seine Unfähigkeit aus, auf Gott zu vertrauen. Gott hätte es vorgezogen, auf eine ganz andere Weise zu ‚kämpfen‘. Dies gilt auch für die Eroberung Kanaans. Boyd argumentiert, dass „Jahweh ursprünglich gehofft hatte, die einheimische Bevölkerung umzusiedeln und sein Volk gewaltfrei ins Land zu bringen“ (Boyd 2017: 941; die Eroberung ist das Thema der Kapitel 19 und 20). Hätte Israel volles Vertrauen in Gott gehabt, hätte es nie einen Kampf mit dem Schwert führen müssen, nicht einmal gegen die Amalekiter in Exodus 17.

Das Prinzip des Rückzugs (mit Erlösung als Zweck)

Das Prinzip des rettenden Rückzugs besagt:

Gott bringt Gericht über Menschen, indem er sich einfach von ihnen zurückzieht und so zulässt, dass sie die zerstörerischen Folgen erfahren, die sich aus ihrer Sünde ergeben, auch wenn diese Folgen typischerweise durch andere Akteure verursacht werden, die ohnehin schon “auf Zerstörung aus sind”. (Boyd 2017: 769)

Zum Teil ist dies einfach das Prinzip von säen und ernten: Der Mensch erntet die Konsequenzen seines Handelns. Die Sünde hat negative Folgen; es gibt oft eine organische Verbindung zwischen Verbrechen und Folgen, die wir als Strafe deuten können. Sünde und Böses zeigen eine inhärente selbstzerstörerische Tendenz.

Es kann aber auch sein, dass sich Gott zurückzieht und anderen erlaubt, jenes Unheil anzurichten, das sie im Sinn haben. Das vielleicht offensichtlichste Beispiel dafür im AT: Gott nimmt seinen Schutz von Jerusalem weg und erlaubt es den Babyloniern, zu kommen und die Stadt zu zerstören. Nicht selten verbirgt Gott sein Angesicht oder zieht seine Gegenwart zurück, um den Weg für Gericht frei zu geben.

So oder so ist Gott nicht aktiv an der daraus resultierenden Gewalt beteiligt.

Darüber hinaus zeigt die Schrift oft, was Boyd ein „duales Sprachmuster“ nennt (im Titel von Kapitel 17). Die Aussage, dass jemand etwas getan hat, ist in diesem Fall gleichbedeutend mit der Aussage, dass die Person das erlaubt oder indirekt dazu beigetragen hat. Dies gilt insbesondere für Könige (und somit Gott), denn alles, was geschieht, geschieht unter ihrer Autorität und kann daher in gewissem Sinne als ihr Tun bezeichnet werden.

Boyd spricht in diesem Zusammenhang auch von der „Metonymie des Subjekts“, einer Redewendung, die diese Form hat:

Person X macht Y

In Wirklichkeit gilt: Person X verkündigt oder erlaubt Y, sagt Y vorher oder lässt zu, dass Y geschieht. Das Verb machen steht also für eine dieser anderen Aktivitäten. Beispiele sind Jeremia 1,10 und 2 Samuel 12,9. Ein weiteres Beispiel ist der Tod der Erstgeborenen in Ägypten, der im 2. Mose 11 und 12 als Gottes Handeln angekündigt wird, aber vom „Zerstörer“ ausgeführt wird (2. Mose 12,13). Boyd folgert:

Ich betrachte die Metonymie des Subjekts als eine relevante grammatikalische Erklärung für viele Beispiele der Schrift, wo sie auf doppelte Weise von Gott spricht, und ich glaube, sie ergänzt das Konzept von Jahweh als Monarch im alten Orient, der über seine Schöpfung herrscht. Das Konzept dient dazu, wieder einmal zu unterstreichen, dass wir nicht zu viel in Bibelstellen hineinlesen sollten, die gewalttätige Handlungen direkt Gott zuschreiben. (Boyd 2017: 864)

Wir sollten nicht zu viel in Bibelstellen hineinlesen, die gewalttätige Handlungen direkt Gott zuschreiben. In der Tat! Ein guter Ratschlag, auch wenn das Buch ihn nicht immer beachtet.

Zusätzlich bezieht sich Boyd oft auf Gottes „Aikido-ähnliche“ Strategie. Aikido ist ein defensiver Kampfsport, in der die Kraft und die Aggression des Angreifers auf ihn selbst zurückgeworfen werden. So geht Gott oft mit dem Bösen um: Er kehrt es auf sich selbst zurück, damit es sich selbst zerstört. (Im Anhang zu dieser Ausgabe gibt es ein biblisches Beispiel dafür.) Somit muss Gott gar keine Gewalt anwenden, um das Böse zu überwinden.

Kritik 1. M.E. ist dieser Abschnitt eine der besseren im Buch. Aber die Ideen sind weder neu noch stellen sie eine auf Boyds kreuzförmiger Hermeneutik basierende Neuinterpretation dar. All dies ist im Text des AT selbst erkennbar. (Nebenbei bemerkt, es macht daher keinen Sinn, dass Boyd sowohl das Prinzip der kreuzförmigen Akkommodation als auch das der Metonymie des Subjekts in derselben Stelle findet, zum Beispiel in Jesaja 53. Wenn es eine Metonymie des Subjekts gibt, gibt es keine verzerrte Darstellung Gottes, die erklärt werden müsste.)

Kritik 2. Das Prinzip funktioniert gut bei einem „breiten“ oder allgemeinen Gericht, in dem Gott in der Tat nur zur Seite treten und den Dingen ihren Lauf lassen muss. Aber können wir Gott immer so leicht von seiner Verantwortung für das, was passiert, „befreien“? Was ist, wenn das Urteil spezifisch und klar limitiert ist, wie das von Sodom und Gomorra, von den Erstgeborenen in Ägypten und von der Bande des Korach, Datan und Abiram (4. Mo. 16)? Wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, führt Boyd diese Gerichte eher auf böse Mächte als auf menschliche Akteure zurück, aber die Frage bleibt. Wenn Gottes passive Erlaubnis, andere Unheil anrichten zu lassen, so spezifisch und unmittelbar ist, macht es dann wirklich einen solchen Unterschied, ob er das Gericht selbst vollstreckt oder dies anderen überlässt?

Kritik 3. Schließlich wirft dieser Abschnitt ernsthafte Fragen darüber auf, wie Gott das Böse überwinden wird. Ja, es gibt Beispiele, wo das Böse sich selbst zerstört und Sünde ihre eigene Strafe herbeiführt. Aber ist das die ganze Geschichte? Wird sich das Böse, einschließlich Satan und seiner Diener, am Ende selbst zerstören? Boyds Antwort ist nicht ganz klar, aber das scheint sich aus diesem Abschnitt und dem nächsten zu ergeben (z.B. Boyd 2017: 1077).

Das Prinzip des kosmischen Konflikts

Das dritte Prinzip ist ein notwendiges Gegenstück zum zweiten. Wenn Gott sich zurückzieht, kann nicht alles, was geschieht, auf menschliche Akteure zurückgeführt werden. Dies gilt insbesondere für natürliche und übernatürliche Plagen und Katastrophen. Sie müssen daher das Werk böser Mächte sein, die immer und zu jeder Zeit auf Zerstörung aus sind, aber normalerweise zurückgehalten werden. Wenn Gott sich jedoch zurückzieht, schlagen sie zu.

Das Prinzip unterscheidet sich nicht wesentlich von dem vorherigen (und die gleiche Kritik gilt); es geht lediglich um andere, nicht-menschliche Akteure. Zweifellos spielt das eine Rolle; es gibt z.B. einen Hinweis auf den Zerstörer in 2. Mose 12,13 und in 1. Korinther 10,10. Boyd erweitert jedoch das Prinzip erheblich:

Genauer gesagt, im Lichte des Kreuzes behaupte ich, dass alle kanonischen Darstellungen Gottes, die die Natur als Waffe des Gerichts nutzen (z.B. die Sintflut, Sodom und Gomorra), als Anlässe verstanden werden können und sollten, in denen Gott mit trauerndem, aber hoffnungsvollem Herzen seine schützende Hand zurückgezogen hat, um es den Anti-Schöpfungsmächten, die „auf Zerstörung aus sind“ (Jes 51,13; vgl. Hab 1,9), zu gestatten, „das Verderben der Schöpfung“ in einem Individuum, einer Volksgruppe oder einer geografischen Region herbeizuführen. (Boyd 2017:1071; man fragt sich, was „mit … hoffnungsvollem Herzen“ bedeutet in Bezug auf Sodom und Gomorra).

Hat Satan wirklich eine solche Macht über die Schöpfung? Und wenn Satan und seine Streitkräfte z.B. Korach und seine rebellische Bande vernichten (4. Mo. 16), und nur sie, weil Gott nicht mehr erlaubt, wer ist dann der wahre Urheber dieses Gerichts?

Boyd behauptet, dass „alle göttlichen Urteile, die ‚Naturkatastrophen‘ einschließen“, auf diese Weise interpretiert werden können (ebd.: 1121): „[E]s sind immer feindliche kosmische Kräfte, die jede Art von Gewalt ausüben, die in den Endgerichten, die durch ‚Naturkatastrophen‘ herbeigebracht werden, wirksam wird“ (ebd.; beachte das atemberaubende „immer“).

In der Darstellung des dritten Prinzips finden sich einige der phantasievollsten Theorien und Erklärungen des Buches. Zum Beispiel verwandelt Boyd Engel in Götter, als ob die Begriffe Synonyme wären. Der „Fürst von Persien“ in Daniel 10,20 wird somit (wörtlich) „der Gott von Persien“ (ebd.: 1033). Und es sei klar, dass diese Götter oder Engel „nicht eindeutig und unumkehrbar böse“ seien – oder gut (ebd.: 1029).

Boyd taucht tief in die Mythologie der Kanaaniter und anderer Völker des alten Orients ein. Zahlreiche mythologische Elemente wie der Leviathan sind in der Tat im AT zu finden, da sie von biblischen Autoren auf verschiedene Weise verwendet werden. Meiner Meinung nach deutet Boyd dieses Material jedoch genau falsch, indem er die biblische Weltanschauung remythologisiert: er übernimmt nicht nur die literarischen Elemente, sondern auch die mythologische Weltanschauung der Kanaaniter; aber das ist ein Thema für einen anderen Tag.

Die Besiedlung der unsichtbaren Welt mit kosmischen Mächten und bösen Monstern, die unabhängig handeln, ermöglicht es Boyd, natürliche Gewalt, die sonst als Akt Gottes interpretiert werden müsste, in Taten dämonischer Kräfte zu verwandeln. Nicht Gott ließ die Armee des Pharaos ertrinken, sondern eine böse Macht, die in der Mythologie durch das widerspenstige Meer verkörpert wurde: „Das antischöpferische Chaos-Monster durfte das tun, wonach es sich immer sehnt – nämlich alles verschlingen, was es verschlingen kann“ (ebd.: 1176). Deswegen handelt es sich gleichzeitig um ein Beispiel dafür, dass das Böse sich gegen sich selbst kehrt und sich selbst zerstört.

Es war ebenfalls nicht Gott, der die Sintflut in Genesis schickte. Gott zog seine schützende Gegenwart zurück und die kosmischen Kräfte der Zerstörung vernichteten die Schöpfung, bis sie wieder zum Tohuwabohu des Anfangs wurde. Die „zerstörerischen natürlichen Folgen der Sünde“ (ebd.: 1127) waren ebenfalls ein Faktor (obwohl unklar bleibt, wie menschliche Sünde damals so verheerende „natürliche Folgen“ haben konnte). Folglich ist Gott nicht „in das größte Massaker verwickelt, wovon in der Schrift berichtet wird“ (ebd.: 1100), meint Boyd.

Das Prinzip der delegierten Macht

Das vierte Prinzip besagt: „Wenn Gott Personen mit übernatürlicher Autorität betraut, kontrolliert er nicht akribisch, wie sie diese Autorität nutzen“ (Boyd 2017: 637). Bis zu einem gewissen Grad liegt die Macht bei ihnen und kann missbraucht werden.

Ich finde es nicht einfach, dieses Prinzip zu beurteilen. Inwieweit können wir die von Gott gegebene Macht „halbautonom“ (wie Boyd es nennt) ausüben, das heißt, sie wirkt, ohne dass Gott etwas tun muss? Und inwieweit bedarf es der aktiven Beteiligung Gottes? Boyd verweist als Beispiel auf den Stab des Moses. Befand sich die Macht im Objekt? Als Mose mit seinem Stab entgegen Gottes Anweisung auf den Felsen schlug, spritzte trotzdem Wasser heraus (4. Mo. 20,1-13). Beweist dies, dass seine Macht unabhängig von Gottes direkter Beteiligung funktioniert hat? Möglicherweise, aber ich bin nicht ganz überzeugt.

Boyd verwendet dieses Prinzip, um eine bekannte Episode aus Elias Leben zu erklären. Erneut stört mich, wie stark Boyd verurteilt, ohne alternative Erklärungen oder Interpretationen zu berücksichtigen. In 2. Könige 1 lässt Elia zweimal Feuer vom Himmel fallen, wobei jeweils eine Gruppe von Soldaten umkommt, die gekommen ist, um ihn zum König zu bringen. In Lukas 9,54f weist Jesus Jakobus und Johannes scharf zurecht, als sie das gleiche mit einem samaritanischen Dorf tun wollen, das sich weigert, sie zu empfangen.

Die beiden Situationen sind völlig unterschiedlich. Es ist darum denkbar, dass das, was im einen Fall falsch ist, im anderen richtig ist. Diese Option zieht Boyd aber nicht in Betracht; ihm ist klar, dass Elia seine von Gott gegebene Macht missbraucht hat:

Jesus hätte Elia für diese mörderische übernatürliche Heldentat zurechtgewiesen, wenn Elia sie während des Dienstes Jesu ausgeführt hätte. (Boyd 2017: 1224)

Auf jeden Fall macht der rücksichtslose Charakter, den Elia in diesem sinnlosen Gemetzel [von 400 Baalpriestern auf dem Berg Karmel] gezeigt hat, es nicht verwunderlich, dass er später mit göttlicher Autorität hundert Männer unnötig einäschert. (Ebd..: 1225)

Elias angstmotivierter Akt der Zerstörung basierte auf einem sündhaften Mangel an Vertrauen in Jahweh. (Ebd.: 1226)

Und wegen seiner Neigung zur Angst, basierend auf seinem Mangel an Vertrauen in Jahweh, wenn er bedrohlichen Königen gegenüberstand, entschied sich Elia, diese Kraft auf eine Weise zu nutzen, die definitiv nicht den Willen und Charakter Gottes widerspiegelt, wie er im gekreuzigten Christus offenbart wurde. (Ebd.: 1226; eine Offenbarung, die natürlich noch nicht stattgefunden hatte).

Man fragt sich, weshalb Elia im NT überhaupt noch Anerkennung findet (auch bei Jesus). Immerhin ist dies das am wenigsten wichtige der vier Prinzipien; es wird in nur einem Kapitel abgehandelt.

Abschließende Bewertung

Es war ein langer Weg. Bevor ich schließe, möchte ich klarstellen, dass ich nicht an Boyds Motivation oder seinem Engagement für Jesus zweifle. Ich bewundere seine Leidenschaft. Ich gebe zu, dass die Themen, die er anspricht, hart und teilweise unbequem sind und daher ernsthaft überdacht werden müssen. Aber offensichtlich bevorzuge ich eine andere Lösung.

Diese Lösung erkennt die göttliche Akkommodation an, aber im traditionellen Sinne, d.h. als etwas, das Gott tut. Dies führt zum Konzept der fortschreitenden Offenbarung: Gott ist in die Welt des alten Orients eingetreten, hat seine Kultur aufgenommen und seine Sprache gesprochen, um die Menschheit allmählich auf einen besseren Weg zu führen. Aus diesem Grund können wir sagen, dass wir heute vieles besser wissen, allerdings ohne diejenigen zu verurteilen, die damals gelebt und gehandelt haben, zu einem anderen Zeitpunkt dieser sich entfaltenden Offenbarung. Ich glaube, dass die biblische Aufzeichnung dieser frühen Phasen es verdient, verständnisvoll gelesen zu werden. Dabei sollten die reichen literarischen und kulturellen Nuancen nicht übersehen werden, was Boyd leider immer wieder schafft (ein Beispiel findet sich im Anhang dieser Ausgabe). Ich bin auch davon überzeugt, dass jede glaubwürdige Lösung Raum für offene Fragen lassen sollte; geschlossene Systeme und Antworten bieten eine falsche Sicherheit.

Zusätzlich zu Boyds unkonventionellem Verständnis von Akkommodation erwähne ich vier weitere Einwände, die ich gegen seinen Vorschlag habe.

Ein schwacher Gott. Damit meine ich nicht, dass ich einen starken und kriegerischen Gott bevorzuge, wie es manche Evangelikale tun. In dieser Hinsicht bin ich nicht allzu weit von Boyd entfernt; das Maß wahrer Größe ist, Macht zu haben und sie nicht zu gebrauchen; nie zeigt sich Gottes Herrlichkeit so einprägsam wie am Kreuz.

Aber Boyds Gott ist in anderer Hinsicht schwach. Er hofft immer wieder auf das Beste und wird ständig enttäuscht. Er plante zunächst, dass Israel das Land gewaltfrei übernehmen würde, musste dies aber widerwillig aufgeben, als Israel das Schwert bevorzugte. Darüber hinaus ist er oft traurig, tief betrübt, etc. Vielleicht ist schwach hier nicht das richtige Wort, aber er wirkt sicherlich naiv.

Außerdem: „Die Gerichte, die Gott plant, sind nicht immer erfolgreich!“ (Boyd 2017: 899). Versagen ist „alles andere als selten“ (ebd.: 900). Und wenn es um Leviathan und Behemoth im Buch Hiob geht (Hiob 38-41), „zwei gewaltige kosmische Ungetüme aus dem alten Orient, die Chaos und Böses darstellen und die Jahweh bekämpfen muss, um die Ordnung in der Welt zu bewahren…. braucht sogar Jahweh ein Schwert, wenn er sich mit ihnen auseinandersetzt (40,19)“ (ebd.: 1118).

Eine unwahrscheinliche Erwartung. Vielleicht sollte ich auch hier lieber naiv verwenden. Gott zeigt eine bemerkenswerte Zurückhaltung im Umgang mit dem Bösen, das tatsächlich selbstzerstörerische Tendenzen zeigt. Aber ist das alles, was es braucht, um das Böse zu überwinden? Wird der Drache den Drachen schlucken (wie im Titel von Kapitel 24)? Wird Gott niemals Zwang und Gewalt anwenden? Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Boyd das glaubt, aber sein Buch hat bei mir diesen Eindruck hinterlassen. In der Vergangenheit hat das aber nicht so funktioniert:

Auch die Engel, die ihren himmlischen Rang nicht bewahrten, sondern ihre Behausung verließen, hat er für das Gericht des großen Tages festgehalten mit ewigen Banden in der Finsternis. (Judas 6)

Ich verstehe, dass sich das mythologisch anhört, und was auch immer gemeint ist, die Sprache ist mit Sicherheit bildhaft. Dennoch impliziert diese Aussage die Anwendung von Gewalt, die den freien Willen dieser Kräfte vollständig und absolut einschränkt. Das klingt nicht wie eine Implosion und die Selbstzerstörung des Bösen. Ich vermute, dass Gott irgendwann mehr tun muss als abwarten.

Zuviel Verständnis für antichristliche Rhetorik. In Kapitel 14 kritisiert Boyd die Kirchenväter, weil sie zu sehr von der griechischen und insbesondere der platonischen Philosophie beeinflusst wurden. Vielleicht hat er Recht. Auf Boyd trifft das nicht zu. Stattdessen lässt er sich zu sehr von der Kritik an Bibel und christlicher Religion beeinflussen, die heute im Westen so beliebt ist. Manchmal (Kapitel 7) schließt er sich ihnen sogar an. Er gibt den modernen Kritikern der Bibel und des Christentums zu stark nach. Sie geben diesen Texten keine faire Chance. Wie gesagt: „Wir sollten nicht zu viel in Bibelstellen hineinlesen, die gewalttätige Handlungen direkt Gott zuschreiben“ (Boyd 2017: 864). Wenn man das vergisst, ist die Folge:

Eine mangelnde Wertschätzung des AT. In Anbetracht des Ausmaßes an Gewalt und Nationalismus, die im AT toleriert werden, ist das AT voller Irrtümer, wenn Gott in Wirklichkeit gewaltfrei ist. Gemessen an Boyds gewaltfreier kreuzförmiger Hermeneutik fallen sogar mehrere Stellen im NT durch (z.B. Boyd 2017: 557, 589ff; ich nehme an, dass auch Apg. 5,1-11 sich disqualifiziert, da Petrus seine apostolische Macht gegen Ananias und Sapphira missbraucht, ähnlich wie Elia in 2. Königen 1).

Das ermutigt einen nicht dazu, viel Zeit mit dem AT zu verbringen. Warum sollte ich einen Text studieren, der eine “schreckliche Beschreibung Jahwes” ist und der “das verdrehte und kulturell bedingte Herz und Denken des biblischen Autors widerspiegelt und so von den Tiefen der Verderbtheit zeugt” (Boyd 2017: 719)?

Die christliche Gemeinschaft beraubt sich selbst, wenn sie sich zu sehr von gewalttätigen Bibelstellen und den damit verbundenen Fragen erschrecken lässt. Boyd erkennt oft an, dass die ganze Schrift von Gott ‚geatmet‘ ist, aber wir sollten auch anerkennen, zu welchem Zweck:

Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt. (2. Tim. 3,16f)

Das Problem der gewalttätigen Darstellungen Gottes sollte uns nicht die Schätze verpassen lassen, die im AT eingebettet sind und die darauf warten, von uns entdeckt zu werden.

Anhang: Bildhafte Sprache

Ich fand Boyds Exegese des AT zu wenig sensibel für die reichen literarischen Elemente, die das AT enthält. Hier ist ein kleines Beispiel zur Veranschaulichung dieser Tendenz; sie zeigt auch Boyds Gebrauch von ‚Aikido‘.

Zum Beispiel sagt der Psalmist mit der für den alten Orient typischen Bildsprache eines Krieger-Gottes, dass Jahweh „sein Schwert schärfen“ und „seinen Bogen biegen und aufspannen“ wird, wenn er „seine tödlichen Waffen“ vorbereitet und „seine Flammenpfeile bereit macht“ (Ps. 7,12f). Diese Bilder würden natürlich dazu führen, dass man erwartet, dass Jahweh vom Himmel herabsteigt und persönlich Menschen massakriert [Wirklich? Wie sollte das denn aussehen?]. Die kreuzförmige Hermeneutik würde also von uns verlangen, davon auszugehen, dass „etwas anderes vor sich geht“, denn dies steht offensichtlich nicht im Einklang mit dem Charakter Gottes, der im gekreuzigten Christus offenbart wird. Interessanterweise bestätigt der Psalmist jedoch unsere kreuzförmige Annahme [für die es hier keine Notwendigkeit gibt, da der Autor ja selbst klar macht, dass sein Bild – man höre und staune – als Bild zu verstehen ist], indem er sofort weitermacht und beschreibt, wie dieser Krieger-Gott sein „Schwert“ schwingt und seine „flammenden Pfeile“ schießt.

Siehe, er [der Böse] hat Böses im Sinn,

mit Unrecht ist er schwanger und wird Lüge gebären.

Er hat eine Grube gegraben und ausgehöhlt –

und ist in die Grube gefallen, die er gemacht hat.

Sein Unrecht wird auf seinen Kopf kommen

und sein Frevel auf seinen Scheitel fallen.

(Ps. 7,14-16; Betonung hinzugefügt)

Trotz der kulturell bedingten gewalttätigen Bilder des göttlichen Kriegers ist es offensichtlich, dass Gottes geschärftes Schwert und seine flammenden Pfeile nichts weiteres sind als die natürlichen selbstzerstörerischen Folgen des eigenen Verhaltens der Menschen. Welche Gewalt auch immer Menschen erleben, wenn sie unter das Gericht Gottes kommen, ist nichts, was Gott ihnen von außen auferlegt. Es ist vielmehr ihre eigene Gewalt, die auf sie zurückprallt. Wie ein Aikido-Meister richtet Gott im Grunde gewalttätige Übeltäter, indem er diesen Übeltätern erlaubt, sich selbst zu bestrafen. Wie Schwager feststellt, sind in der Literatur des AT „Selbstbestrafung und Bestrafung durch Gottes Hand nicht zwei verschiedene Realitäten“. Dieses Aikido-ähnliche Verständnis der Auswirkungen der Sünde, die auf die Täter zurückschlägt, durchdringt das AT. (Boyd 2017: 839; auch hier gilt, wenn es das AT „durchdringt“ und klar erkennbar und nachvollziehbar ist, braucht es keine kreuzförmige Neudefinition oder Korrektur; man muss nur die Bildsprache richtig deuten).

Attribution

Warrior: Photo by Henry Hustava on Unsplash https://unsplash.com/photos/j_Ch0mwBNds

Vulcano: Photo by Yosh Ginsu on Unsplash https://unsplash.com/photos/qexZLgMcbPc

Dragon: https://pixabay.com/en/dragon-fantasy-monster-toy-game-855191/

Fire: https://pixabay.com/en/fire-wood-fire-flame-burn-brand-171229/

Literaturangaben

Boyd, Gregory (2017), The Crucifixion of the Warrior God: Interpreting the Old Testament’s Violent Portraits of God in Light of the Cross (Minneapolis, MN: Fortress Press)

Deutsche Bibelgesellschaft (1984), Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft)

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