Der Zusammenhang zwischen Laubhüttenfest und Wasser ist nicht offensichtlich. Im Alten Testament wird er nie ausdrücklich erwähnt, außer (möglicherweise) in Sacharja 14,16-19. Selbst dort ist die Verbindung dünn. Sie beschränkt sich darauf, die Völker, die es versäumen, zum Laubhüttenfest nach Jerusalem hinaufzuziehen, mit Trockenheit zu strafen. Im Neuen Testament erscheint der Zusammenhang nur in einer einzigen Aussage Jesu, die in Johannes 7,37-39 überliefert ist:
Aber am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht. (Joh. 7,37-39)
Beim betreffenden Fest, so zeigt sich weiter oben im Kapitel (Joh. 7,2), handelt es such um das Laubhüttenfest. Die Bilder vom Durst und vom Wasser im Zusammenhang mit dem Geist sind bei Johannes und im Rest der Bibel wohlbekannt. Aber was, wenn überhaupt, hat das mit dem Laubhüttenfest zu tun? Wie kam Jesus auf diese Idee und was bedeutet sie?
Diesen Brief gibt es in Englisch auch als VIDEO PODCAST und als AUDIO PODCAST
Das Laubhüttenfest
Das Laubhüttenfest ist das siebte und letzte der jährlichen Feste, die in 3. Mose 23 vorgeschrieben sind. Es soll im siebten Monat, also im Frühherbst, stattfinden. Sieben Tage lang sollte das Volk Israel in Hütten gebaut mit Ästen und Laub leben. Das Fest sollte sie daran erinnern, dass sie während ihrer Reise durch die Wüste in das verheißene Land in Zelten gelebt hatten (3. Mo. 23,40-43). Gleichzeitig scheint es sich um ein Erntefest gehandelt zu haben, das das Ende des landwirtschaftlichen Zyklus markierte (vielleicht angedeutet in 3. Mo. 23,39 und explizit in 5. Mo. 16,13-15).
Sowohl der erste wie auch der achte Tag galten als Ruhetage (3. Mo. 23,39); beide waren ein besonderer Sabbat. Für jeden der sieben Tage des eigentlichen Festes, nicht aber für den achten, sollte eine bestimmte Anzahl von Opfern dargebracht werden (4. Mo. 29,12-38). In all dem findet sich aber nichts über Wasser.
Wasser als prophetisches Bild
Was die bildliche Verwendung von Wasser bei den Propheten betrifft, so werde ich nicht versuchen, einen umfassenden Überblick zu geben. Wasser ist ein offensichtliches Bild für Leben, Erfrischung und Erneuerung, vor allem in einem Klima, das Dürreperioden kennt. Die Symbolik des Wassers und eines Leben spendenden Flusses ist im Alten Testament weit verbreitet. Besonders häufig kommt das Bild vom Wasser im Buch Jesaja vor, wo es für die Erlösung und die kommende Erneuerung der Schöpfung dient. Es gibt manchmal auch eine ausdrückliche Verbindung zwischen Wasser und dem Geist Gottes (Jes. 44,3; Hes. 36,25-27).
Das erste Mal begegnet uns das Bild von Wasser in 1. Mose 2, wo ein Strom aus dem Garten, dem Ort der Gegenwart Gottes, fließt, sich in vier Ströme teilt und die ganze Erde bewässert. Vermutlich inspirierte dies die prophetischen Bilder eines Flusses oder Stroms, der aus einem zukünftigen Tempel fließt (Hes. 47,1-12; Sach. 14,8; Joel 4,18).
Wasser des Lebens: ein herrliches Bild. Aber was hat es mit dem Laubhüttenfest zu tun?
Wasser und Fest in der Zeit des zweiten Tempels
In der Zeit des zweiten Tempels, zwischen der Rückkehr aus dem Exil nach 539 v. Chr. und der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n. Chr., entstand die Verbindung zwischen Wasser und Fest. Zur Zeit Jesu war es zu einem festen Brauch geworden, dass die Priester während des Festes zum Teich Siloam gingen, um Wasser zu holen. Sie trugen es in einem goldenen Krug hinauf und gingen in einer Prozession um den Altar, begleitet vom Gesang der Psalme 113-118. Dann wurde das Wasser ausgegossen. Das Ritual wurde an jedem der sieben Tage durchgeführt, aber am siebten Tag gingen die Priester siebenmal um den Altar (Beasley-Murray 1999: 113f; Köstenberger 2007: 453f).
Das Wasser wurde wahrscheinlich in Erinnerung an die Wasserversorgung durch Gott in der Wüste ausgeschüttet. Es war auch als Bitte um reichlich Regen für die neue landwirtschaftliche Saison gedacht. Darüber hinaus wurde es als Hinweis auf den verheißenen Fluss verstanden, der im kommenden Reich Gottes aus dem Tempel fließen würde. Während des Laubhüttenfestes wurde Sacharja 14 gelesen, wo von diesem Strom gesprochen wird.
Zurück zu Johannes 7
In dem oben zitierten Abschnitt (Joh. 7,37-39) sind drei Dinge nicht ganz klar.
1. Was ist die richtige Zeichensetzung? Ist sie wie in der Lutherbibel, die dem griechischen Standardtext (USB/Nestle-Aland) folgt? Oder sollten wir die alternative Zeichensetzung übernehmen, die zu einer anderen Übersetzung führt:
Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: „Von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen“ (Beasley-Murray 1999: 102)
In diesem Fall kann der Text so verstanden werden, dass das Wasser aus dem Innern Jesu fließt, nicht, wie im Luthertext, aus dem Innern des Glaubenden.
Es stimmt natürlich, dass wir dieses Wasser zuerst empfangen und davon trinken müssen; es kommt nicht von uns. Jesaja 12,3 kommt einem in den Sinn: „Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen“.
Aber wenn wir das Wasser nehmen und trinken, werden wir selbst zu einer Quelle des neuen Lebens und der Wiederherstellung. Dafür gibt es auch alttestamentliche Belege: „Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt“ (Jes. 58,11). Johannes spricht in seinem Evangelium ebenfalls von dieser vermehrenden Wirkung: „Das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt“ (Joh. 4,14).
Außerdem leitet ein Satz, der mit „wer …“ beginnt, in den Schriften des Johannes häufig einen Gedanken ein, anstatt ihn zu vollenden.
Ich werde daher bei der Lutherbibel bleiben.
2. Welche Bibelstelle hatte Jesus im Sinn? Unter den vielen Verweisen im AT auf Wasser als Bild passt keine zu dem, was Jesus sagt. Es könnte sich um eine Zusammenstellung von mehreren oder sogar vielen dieser Stellen handeln. Der gerade erwähnte Abschnitt aus Jesaja (Jes. 58,11) kommt dem in Johannes 7,38 ausgedrückten Gedanken am nächsten. Wie auch immer, Jesus gibt eine eher freie Umschreibung der Verse, die er im Sinn hatte.
3. An welchem Tag fand das Ereignis statt? Ist der letzte Tag des Festes, „der der höchste war“ (Joh. 7,37), der letzte der sieben Tage? Oder ist es der achte Tag, der ja ein besonderer Sabbat war? Beide Möglichkeiten sind vertretbar. In beiden Fällen hätten die Zuhörer Jesu gestaunt.
Das ist wichtig. Unabhängig davon, ob Jesus am siebten oder am achten Tag sprach, erhob er in jedem Fall einen unfassbaren Anspruch. Wenn es der siebte Tag war, der Tag des siebenfachen Rituals, dann deutet Jesus an, dass er die Realität des Symbols ist, das sie gerade anschauen. Wenn es der achte Tag war, der Tag, an dem kein Wasser ausgegossen wurde, dann erhebt er den Anspruch, dass die Feier nicht zu Ende sei, sondern dass er die durch das Ritual ausgedrückte Wirklichkeit allen zugänglich machen würde, die an ihn glauben.
Kurz gefasst behauptet Jesus: Ihr könnt die Erfüllung jetzt empfangen und erfahren, durch den Glauben an mich!
Das Laubhüttenfest hat seine Erfüllung gefunden, einerseits in Jesus und andererseits in unserer Pilgerreise in eine neue Welt. Alles, was noch nicht erfüllt ist, wurde neu definiert und auf Jesus ausgerichtet. Es besteht also keine Notwendigkeit, nach Jerusalem zu reisen oder auf einen neuen jüdischen Tempel zu warten. Wenn wir auf Jesus schauen, so werden wir ein Teil des Lebensflusses, der in die Schöpfung hinausfließt und neues Leben bringt, wo auch immer er hinkommt.
Bildnachweis
12019. 2016 <https://pixabay.com/photos/iceland-mountains-kirkjufell-1768744/> [accessed 24 August 2021] CC0
Literaturangaben
Bibelzitate, wenn nicht anders angegeben: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. 1999. Revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft)
Beasley-Murray, George R. 1999. John, Word Biblical Commentary, v. 36 (Dallas, TX: Word Books)
Köstenberger, Andreas J. 2007. “John,” in Commentary on the New Testament Use of the Old Testament, ed. by G. K. Beale and D. A. Carson (Grand Rapids, MI; Nottingham, UK: Baker Academic; Apollos)
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