Sarkasmus ist eine ernste Angelegenheit. Ich mache keine Witze! Moment… War die erste Aussage womöglich sarkastisch? Oder zumindest ironisch? Und die zweite?
Nein, nicht wirklich. Der erste Satz ist ein Paradoxon, ein scheinbarer Widerspruch, und der zweite vielleicht auch: Ich mache keine Witze, meine es aber doch witzig.
Das ist also sicherlich ein schlechtes Beispiel, um eine Diskussion über Sarkasmus zu beginnen. Dieser letzte Satz ist übrigens ironisch.
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Oh je, ist das kompliziert… Wie können wir diese Konzepte voneinander unterscheiden? Matthew Pawlak (2023) hat es in Sarcasm in Paul’s Letters, einer Studie über den Sarkasmus in den Paulusbriefen, versucht. Das Ergebnis ist eine faszinierende, wenn auch fast übermäßig detaillierte Studie.
Wie gesagt, Sarkasmus ist eine ernste Angelegenheit. Schauen wir also genauer, wie er funktioniert. Ich beginne mit den zwei Schlüsselbegriffen, Sarkasmus und Ironie, und wende mich dann dem Schreibstil des Paulus zu.
Ironie: Das eine sagen, das andere meinen
Die ursprüngliche Bedeutung des griechischen Wortes für ‚Ironie‘, eironea, besteht darin, etwas durch Täuschung oder Vortäuschen zu verbergen (ebd.: 10f). Sowohl Ironie als auch Sarkasmus beinhalten, dass wir etwas anderes sagen als das, was wir wirklich meinen.
Oft wird Ironie so definiert, dass sie das genaue Gegenteil von dem bedeutet, was gesagt wird. Das kann es sein. Der Kommentar „Was für ein schöner Tag!“, wenn es regnet, ist das offensichtliche Beispiel. Aber das ist nicht immer so.
In seiner Auseinandersetzung mit der Ironie führt Pawlak (ebd.: 24-27) folgendes Beispiel an: Jemand stellt sein überlegenes Wissen zur Schau, bis es aus seinem Opfer herausplatzt: „Oh, du bist so klug!“
Hier sind die Worte grundsätzlich korrekt und wahr – die Person ist klug und weiß viel. Die beabsichtigte Botschaft ist nicht das Gegenteil der sachlichen Aussage (also nicht, „Du bist dumm!“).
Pawlak weist jedoch darauf hin, dass die Aussage eine negative Bewertung des Verhaltens der anderen Person impliziert. Diese Bewertung ist in der Tat das Gegenteil von dem, was positiv klingt. „Du bist so schlau!“ bedeutet in Wirklichkeit „Du nervst!“

Sarkasmus: Ein scharfer Stachel
Sarkasmus ist eine Form der Ironie. Das Wort kommt vom griechischen sarkázein (Fleisch zerreißen) – das ist vielsagend. Während Ironie oft neutral oder sogar humorvoll ist, hat Sarkasmus in der Regel eine schärfere Kante: Er verspottet, verletzt, und beleidigt manchmal auch. Sarkasmus richtet sich in der Regel gegen Menschen, während sich Ironie auf Situationen oder Ereignisse beziehen kann.
Pawlak (ebd.: 32) definiert Sarkasmus als eine Aussage, die im Wortlaut eine positive Bewertung darstellt, aber eine negative Bewertung andeutet und bezweckt. Ein großartiges biblisches Beispiel kommt von Hiob, der sarkastisch zu seinen Freunden sagt: „Ja, ihr seid die Leute, mit euch wird die Weisheit sterben!“ (Hiob 12,2). Hiob lobt seine Freunde nicht – er verspottet ihre Arroganz bitterlich.
Mit anderen Worten, „ich behaupte, dass Sarkasmus normalerweise als implizite Angriff auf das fungiert, was sein Gegenüber als eine positive Eigenschaft für sich in Anspruch nimmt“, so Pawlak (ebd., 58). Dieser Anspruch wird untergraben und lächerlich gemacht.

Sarkasmus erkennen
Woran erkennen wir, dass etwas Sarkasmus ist? Wenden wir uns als Beispiel 1. Könige 22 zu. König Ahab von Israel plant einen Krieg gegen Syrien. Aber er wünscht sich, dass der König Joschafat von Juda sich ihm in diesem Kampf anschließt. Um dies zu erreichen, hat er 400 Propheten zusammengebracht, und sie alle verkünden die gleiche Botschaft: „Zieh hinauf! Der Herr wird‘s in die Hand des Königs geben“ (1. Kö. 22,6).
Joschafat spürt, dass mit der Einstimmigkeit der 400 Propheten etwas nicht stimmt, was ihn veranlasst, eine andere Meinung einholen zu wollen. Die einzige Option scheint der Prophet Micha zu sein, der im Gefängnis sitzt.
Als er hereingebracht wird, fragt Ahab: „Micha, sollen wir gegen Ramot in Gilead in den Kampf ziehen oder sollen wir’s lassen?“ Micha antwortet: „Ja, zieh hinauf, es soll dir gelingen! Der HERR wird‘s in die Hand des Königs geben“ (1. Kö. 22,15). Auf den ersten Blick gibt er also die gleiche Antwort wie die anderen Propheten.
Doch Ahab ist verärgert. „Wie oft soll ich dich beschwören, dass du mir im Namen des HERRN nichts als die Wahrheit sagst!“ (1. Kö. 22,16). Wie kam Ahab zu dem Schluss, dass Micha in seiner Antwort unaufrichtig war? Woher wusste er das?
Der Sarkasmus muss offensichtlich gewesen sein. Höchstwahrscheinlich verrieten ihn seine Körpersprache und sein Tonfall.
In geschriebenen Texten kann es schwierig sein, Sarkasmus zu erkennen, da uns der Ton und die Körpersprache fehlen. Aber es gibt Anzeichen, zum Beispiel:
- Negative Bewertung: Auf Sarkasmus folgt oft eine explizite Verneinung des Gesagten.
- Übertreibung: Sarkasmus beinhaltet oft Übertreibung.
- Inkongruenz: Was gesagt wird, passt nicht in den Kontext oder die Situation.
Ein Beispiel im Römerbrief
Im Römerbrief verwendet Paulus u.a. Fragen, um seinen Text zu strukturieren. Zum Beispiel:
Was sollen wir nun sagen? Sollen wir denn in der Sünde beharren, damit die Gnade umso mächtiger werde? (Röm. 6,1f)
Wie nun? Sollen wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind? Das sei ferne! (Röm. 6:15)
Oberflächlich betrachtet scheint Paulus in diesem Fall die Fragen ernsthaft in Betracht zu ziehen. Sie erfüllen jedoch alle drei eben genannten Kriterien. Paulus verwirft diese absurden Ideen umgehend. Die Darstellung ist wahrscheinlich übertrieben. Und der Kontext des Römerbriefes macht deutlich genug, dass Paulus eine solche Vorgehensweise nicht ernsthaft in Erwägung gezogen haben konnte. Wir haben es mit Sarkasmus zu tun (so Pawlak 2020: 124ff; siehe auch Röm. 2,17-23 und 3,7f).
Die korinthische Korrespondenz
Sarkasmus und Ironie sind nicht nur clevere Tricks – sie sind Werkzeuge, mit denen Paulus seine Leser auf tiefgründige Weise herausfordert, tadelt und ermutigt. Der Gebrauch von Sarkasmus ist besonders im 1. Korintherbrief auffällig. Allerdings fällt es mir nicht immer leicht, die Aussagen einzuordnen.
In 1. Korinther 4,8 heißt es: „Ihr herrscht ohne uns“. Sofort folgt die Verneinung, und man kann sich leicht den scharfen Ton des Paulus vorstellen. Ähnlich verhält es sich in 1. Korinther 6,15: „Sollte ich nun die Glieder Christi nehmen und Hurenglieder daraus machen? Das sei ferne!“
Aber was ist sarkastisch an 1. Korinther 1,27f und 2,1-4? Basierend auf dem Kontext argumentiert Pawlak, dass Paulus die Weisen und die Weisheit dieser Welt als überhaupt nicht weise ansieht. Er setzt daher ‚Weise‘ und ‚Weisheit‘ in Anführungszeichen (Pawlak 2020: 208). Ähnliches gilt für 1. Korinther 8,1, wo die Korinther sich ihres Wissens rühmen. Aus Sicht des Paulus handelt es sich dabei aber gar nicht um wirkliches Wissen (siehe auch 1. Korinther 8,9-11, wo ihr Wissen ebenfalls suspekt ist) – man müsste es wohl auch in Anführungszeichen setzen.
Die schärfste und bissigste Rhetorik des Paulus findet sich im 2. Korintherbrief, vor allem in seiner Selbstverteidigung, die in 2. Korinther 10 beginnt; das ist bekannt.
Aber Vorsicht. Sarkasmus ist hier nicht ganz so weit verbreitet, wie es oft dargestellt wird. Wir müssen präzise sein. Im 2. Korintherbrief verwendet Paulus oft Selbstironie, eine Form der Ironie, bei der negative Aussagen über sich selbst eine positive Bewertung implizieren.
Das ist das genaue Gegenteil von Sarkasmus. Anstatt dass eine positive Bewertung das Negative impliziert, wie im Sarkasmus, erhalten wir eine negative Bewertung, die eine positive impliziert.
Zum Beispiel, wenn Paulus sagt: „Ich, …, der ich in eurer Gegenwart unterwürfig sein soll, aber mutig, wenn ich fern von euch bin“ (2. Kor. 10,1), und: „Andere Gemeinden habe ich beraubt und Geld von ihnen genommen, um euch dienen zu können“ (2. Kor. 11,8), drückt er ironisch seinen Frust über die fehlgeleiteten Wahrnehmungen der Korinther aus.

Und wenn Paulus sich in 2. Korinther 11,4-6 und 11,19-21 direkt mit den „Überaposteln“ vergleicht, verbindet er effektiv Sarkasmus (gegenüber den falschen Aposteln und den Korinthern) mit Selbstironie (in Bezug auf sich selbst).
Man könnte auch sagen, dass seine ganze Herangehensweise an die Prahlerei in diesen Kapiteln sarkastisch ist (ebd.: 210f). Paulus schließt sich dem Rühmen an, aber er hält es für einen dummen Irrtum. Nur widerwillig lässt er sich in 2. Korinther 11,21b-12,10 darauf ein: die sogenannte Narrenrede.
Und jetzt kommt die große Überraschung. Laut Pawlak (ebd.: 38) enthält dieser Abschnitt, die Narrenrede, „keine nennenswerte verbale Ironie und keinen Sarkasmus“. Das Rühmen ist hier nicht ironisch, sondern sachlich, einschließlich der positiven Bewertung. Paulus hat das alles getan und erlebt, und man sollte es ihm tatsächlich positiv anrechnen.
Nebenbei setzt Paulus noch ein anderes Stilmittel ein, das einen weiteren Begriff erforderlich macht. Die Rede verwendet Parodie. Paulus ahmt etwas auf eine Weise nach, die es lächerlich macht. Auf diese Weise macht er sich über das stereotypische Heldentum der Antike lustig. Seine ‚Heldentaten‘ sind fast das Gegenteil. Heldenhaft würde bedeuten, die Stadtmauern im Angriff erklimmen, nicht auf der Flucht in einem Korb vor der Mauer heruntergelassen zu werden (2. Kor. 11,33).
Paulus verspottet oder relativiert zumindest auch die Visionen, über die sich manche rühmten, während er gleichzeitig seine eigene visionäre Himmelsreise einbringt (2 Kor. 12,1-10). Er weigert sich, eine große Sache daraus zu machen.
Und es gibt weitere Paradoxe: Wenn ich schwach bin, bin ich stark (2. Kor. 12,10). Das ist aber kein Sarkasmus.
Wisst ihr nicht…?
Wie gesagt, ich finde es nicht einfach, diese Kategorien anzuwenden. Wie verstehe ich zum Beispiel das wiederholte „Wisst ihr nicht…?“ in 1. Korinther (z. B. 1. Kor. 3,16)? Die Aussage enthält sicherlich einen Stachel, kommt mit Biss, aber ist sie sarkastisch? Weder Pawlak noch andere ordnen sie so ein (Pawlak 2020: 208f, 212).
Wichtiger als das richtige Etikett zu treffen, ist es jedoch zu analysieren und erklären zu können, wie eine Aussage, in diesem Fall eine Frage, gemeint ist. Es scheint, dass Paulus Überraschung vortäuscht, dass die Korinther manches nicht wissen, und er sie über bestimmte Dinge (neu) informieren muss. Aber in Wirklichkeit ist er überhaupt nicht überrascht.
Die Kraft der Frage ist eine Aussage: Ihr solltet es wissen (aber ihr wisst es nicht). Mit anderen Worten, ihr seid nicht so weise und sachkundig, wie ihr denkt.
Klingt für mich wie Sarkasmus, aber ich kann mich irren; was weiß ich schon?
Moment… War das Selbstironie?
Bildnachweis
Sarcasm 1 <https://pixabay.com/vectors/ai-generated-man-sarcasm-laughing-8288688/> CC0
Sarcasm 2 <https://pixabay.com/photos/sarcasm-word-letters-sarcastic-2015186/> CC0
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Literaturangaben
Bibelzitate, wenn nicht anders angegeben: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. 1999. Revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft)
Pawlak, Matthew Christian. 2020. ‘Sarcasm in Paul’s Letters’ (Ph. D. Thesis, Cambridge: Peterhouse, Cambridge University) <https://api.repository.cam.ac.uk/server/api/core/bitstreams/a8f3aa29-4b7c-4976-968e-8627efd876af/content> [accessed 4 December 2024]
Pawlak, Matthew. 2023. Sarcasm in Paul’s Letters, Society for New Testament Studies Monograph Series, 182 (Cambridge: Cambridge University Press) (bezahlter Link)
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