Meine erste Erfahrung mit einer kreativen Andacht in dieser Form machte ich 2010, als wir nach Spanien kamen, um am Leadership Development Course (LDC) teilzunehmen. Der erste Unterrichtstag fing mit einem extravaganten Willkommensfrühstück an. Anschließend hatten wir eine gute Stunde Zeit, um im Garten mehrere Stationen zu besuchen, die speziell für diesen Anlass vorbereitet waren. Es gab uns die Gelegenheit zu reflektieren, auf Gott zu hören, die neuere Vergangenheit zu verarbeiten und uns auf das Abenteuer des Kurses einzulassen.
Erstaunlicherweise kann ich mich nicht mehr mit Sicherheit an das Thema erinnern. Es war entweder Bethanien, das kleine Dorf in der Nähe von Jerusalem, wo Jesus gerne Freunde besuchte, oder die Speisung der fünftausend.
Über die Jahre haben wir im Rahmen des Leadership Retreat Centre nicht wenige solcher Andachten erlebt. Mir gefällt diese Art von Übung sehr; sie weist einen einfachen Weg, das Lernen zu fördern (und darum geht es ja in diesen Texten). Inzwischen versuche ich, eine solche Andacht mit Stationen in jede Unterrichtswoche in der SBS oder im BCC zu integrieren, entweder am Anfang, um das Interesse am Buch zu wecken, oder am Ende, um das Gelernte zu verarbeiten und persönliche Konsequenzen und Umsetzung herauszuarbeiten – oder beides! Diese Form ist auch geeignet als meditativer Zugang zu einer kürzeren Bibelstelle anstelle eines herkömmlichen Bibelstudiums, bei dem man entweder referiert oder diskutiert.
Diesen Brief gibt es in Englisch auch als Video Podcast
Warum Stationen?
Stationen als Teil einer kreativen Andacht haben unter anderem folgende Vorteile:
- Solche Stationen bringen Abwechslung und durchbrechen die Monotonie.
- Jeder ist gleichzeitig aktiv involviert, und alle können sich auf ihre Weise beteiligen und sich konzentrieren auf das, was ihnen am meisten dient.
- Je nachdem wie die Andacht gestaltet wird, werden mehrere oder gar alle Sinne mit einbezogen.
- Wir lernen effektiver, wenn wir nicht nur etwas hören, sondern auch aktiv etwas damit machen.
- Stationen helfen, das Interesse an deinem Thema oder am Bibelbuch zu wecken.
- Du gewinnst Informationen darüber, was deine Zuhörer schon wissen (oder nicht), und welche Erwartungen das Buch oder das Thema bei ihnen auslöst.
- Es macht Spaß, so zu lernen.
Ich werde im nächsten Abschnitt einen Weg vorstellen, wie man zu einer kürzeren Bibelstelle eine solche Andacht vorbereiten kann. Anschließend werde ich eine Variante für einen Unterricht zu einem ganzen Bibelbuch vorschlagen.
Kreative Andacht zu einer Bibelstelle
Selbstverständlich musst du dich zunächst für eine passende Bibelstelle entscheiden. Du brauchst etwas Zeit, um dich mit der Stelle vertraut zu machen.
(1) Wenn du soweit bist, erstelle dann eine Liste von Beobachtungen, die du im Text machst. Versuche diese kurz und knapp zu formulieren, damit jede Beobachtung die Grundlage für eine Station werden kann. Als Beispiel nehme ich Lukas 24,13-35, wo von zwei Jüngern Jesu erzählt wird, die sich auf dem Weg nach Emmaus befinden. Ich finde unter anderem die folgenden Elemente:
- Sie unterhalten sich über das, was in den letzten Tagen alles geschehen ist.
- Jesus schließt sich ihnen an, sie erkennen ihn aber nicht.
- „Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde“ (Vers 21; Luther 1984). Sie sind enttäuscht.
- Jesus nennt sie Toren und legt ihnen die Schrift aus.
- Als Jesus das Brot bricht, erkennen sie ihn.
- Sie kehren zurück nach Jerusalem, um es den anderen mitzuteilen.
(2) Nicht jede Beobachtung eignet sich für eine Station. Dazu braucht es eine gute, persönliche Frage, in der die Beobachtung aufgegriffen wird.
(3) Wenn dir zusätzlich zur Frage irgendein Objekt als Symbol für die jeweilige Station einfällt, umso besser.
(4) Überlege dir für jede Station eine Handlung oder eine Aktivität: Was sollten die Teilnehmer hier tun? Sie könnten über etwas nachdenken oder für etwas beten. Eventuell ist es sinnvoll, dass jeweils zwei für einander beten oder ihre Gedanken miteinander austauschen. Weitere mögliche Aktivitäten: Die Teilnehmer schreiben etwas auf ein großes Blatt Papier, auf einen Stein (oder auf ein sonstiges Objekt) und legen dieses ab oder werfen es weg, sie begraben etwas, sie malen oder schreiben etwas (zum Beispiel ein Gebet oder einen Psalm), sie erstellen eine Skulptur und so weiter. Hier ist also deine Kreativität gefragt! Einige Beispiele für Lukas 24:
- „Unterwegs unterhielten sie sich über alles, was geschehen war“ (Vers 14; GNB). Was ist dir in letzter Zeit passiert und hat dich schockiert oder berührt? Was fällt dir zur Zeit schwer? Finde jemanden, teile mit ihm oder mit ihr deine Schwierigkeiten, und betet zusammen.
- „Wir aber hofften…“ (Vers 21). Sie sind offensichtlich enttäuscht, erkennen aber nicht, dass Jesus ihnen ganz nahe ist. Denke über deine Enttäuschungen nach und über das, was dich belastet. Wie ist Jesus dir in diesen Erfahrungen nahe? Wie könnte Gott solche Erfahrungen in deinem Leben verwenden, damit du wächst und dich weiterentwickelst?
- Welche Bibelstelle kommt dir in den Sinn, die zu deiner jetzigen Herausforderung etwas beitragen könnte? Wenn dir keine Bibelstelle in den Sinn kommt, schenkt Gott dir vielleicht ein direktes Wort oder einen Eindruck. (Bei dieser Station ist es hilfreich, irgendwelche Karten zum Mitnehmen bereit zu legen, damit die Teilnehmer ihr Bibelwort oder ihren Eindruck aufschreiben und mitnehmen können.)
- Dann „nahm er das Brot, dankte, brach’s … und sie erkannten ihn“ (Vers 30f; Luther 1984). Brich ein Stück dieses Brotes ab und iss es, wie wenn Jesus es dir persönlich überreichen würde. Wie ändert das deine Sicht auf dein Leben? (Offensichtlich braucht es für diese Station einen Laib Brot.)
(5) Für manche Stationen kann es lohnenswert sein, sich etwas zum Mitnehmen zu überlegen. Die Teilnehmer haben so eine Erinnerung und können zum Beispiel eine Entscheidung oder bestimmte Gedanken schriftlich festhalten.
(6) Jede Station braucht ein Blatt mit Anweisungen. Ich verwende PowerPoint, da man aufgrund der Vorlagen schnell ein Blatt mit Titel, Bild und einem kurzen Text in größerer Schrift zusammenstellen kann. Jedes Blatt sollte ein für die Station passendes Bild enthalten.
(7) Überlege dir, wie du die Stationen im zur Verfügung stehenden Raum verteilst. Eventuell sind kleine Tische hilfreich. Manchmal lässt sich ein Garten oder ein sonstiger Außenbereich verwenden; vielleicht gibt es bestimmte Ecken oder Objekte, die sich in deine Stationen integrieren lassen (zum Beispiel ein Tor, ein Baum, eine Ecke voll Unkraut, ein Kompostkübel).
(8) Wie viele Teilnehmer erwartest du? Kann jeder gleichzeitig aktiv sein? Eventuell brauchst du jede Station mehr als einmal oder müssen die Teilnehmer zu zweit oder in Kleingruppen arbeiten. Als Alternative könntest du die Anweisungen zu den jeweiligen Stationen auch in einen Andachtsheft zusammenfassen. Es ist dann trotzdem gut, besondere Ecken und Stationen einzurichten, aber die Informationen hat jeder zur Hand.
(9) Am Schluss ist es gut, noch Zeit für eine Auswertung zu haben. Frage die Teilnehmer, wie die Erfahrung für sie war, und was sie für sich persönlich mitnehmen.
Kreative Andacht für den Unterricht zu einem Bibelbuch
Wer sich für die (kostenlosen) monatlichen Updates anmeldet, erthält Zugang zu einem Google Drive Ordner mit Beispielen für den Anfang oder den Abschluss einer Unterrichtswoche zu einem Buch mithilfe kreativer Andachten.
Falls du Stationen zum Abschluss verwenden möchtest, als Teil der Überlegungen zur Anwendung eines Buches, gibt es keine großen Unterschiede zu einer kreativen Andacht zu einer Bibelstelle. Die Stationen beziehen sich jetzt auf wichtige Punkte im Buch, für die weitere Reflexion in Betracht kommt.
Nach meiner Erfahrung in der Schule für Bibelstudium wird die schriftliche Anwendung zu einem Buch, die zu den Aufgaben gehört, oft unter großem Zeitdruck geschrieben. Dabei kommen tieferes Nachdenken und Synthese meistens zu kurz. Zeit für eine solche Reflexion am letzten Unterrichtstag in den Unterricht einzubauen, ist ein Geschenk an die Studenten. Es gibt keinen Zeitdruck, etwas fertig zu stellen; diese Zeit war sowieso schon für den Unterricht reserviert. Das gibt Raum, sich auf der Gefühlsebene intensiv mit dem Inhalt des Buches zu befassen.
Verwendest du Stationen am Anfang des Unterrichts, dann wird es darum gehen, Interesse zu wecken und zusammenzutragen, was die Teilnehmer oder Studenten schon zu einem Buch wissen – oder nicht wissen. Aus dem Grund arbeite ich gerne mit Flip-Chart-Blättern oder Ähnlichem, um die Beiträge aller zusammen zu tragen. Zum Buch Offenbarung zum Beispiel lege ich ein Blatt aus, wo die Studenten möglichst viele Verweise auf das Alte Testament aufschreiben, die sie im Buch erkannt haben. Oft kommen nicht viele zusammen, obwohl fast jeder zweite Vers in diesem Buch auf eine Stelle im Alten Testament hinweist.
Weitere Möglichkeiten:
- Welches Gefühl löst dieses Buch bei dir aus (eine gute Frage für ein Buch wie die Offenbarung oder für das erste wirklich große Buch)? Was in diesem Buch hat dich in der Vergangenheit positiv berührt?
- Welche sind wichtige oder wiederholte Begriffe in diesem Buch?
- Was hat dich in diesem Buch überrascht?
- Was verstehst du in diesem Buch nicht? Welche Themen sind kontrovers?
- Ein Freund schreibt eine Studienanleitung zu diesem Buch und fragt dich, ob du Vorschläge hast für einen coolen und treffenden Titel für dieses Bibelbuch. Welches ist deine beste Idee?
- Welche Informationen und Hinweise hast du im Buch gefunden, die uns helfen, die folgenden Fragen zu beantworten: [zum Beispiel] Wer ist der Verfasser dieses Buches, wann wurde es geschrieben, aus welchem Anlass wurde es geschrieben (usw.)?
- Was ist dein Lieblingsvers in diesem Buch und warum? Welche Person in diesem Buch steht dir am Nächsten und warum?
Klare Anweisungen
Bei der Einführung ist es wichtig, dass die Teilnehmer verstehen, was von ihnen erwartet wird. Oft kommt es nicht darauf an, dass die Teilnehmer jede Station besuchen; wenn eine bestimmte Frage sie stark beschäftigt, ist es völlig in Ordnung, wenn sie die meiste Zeit bei dieser Station verbringen. Es ist einfacher, wenn die Stationen in beliebiger Reihenfolge besucht werden können; wenn das aber nicht der Fall ist, muss das klargestellt werden.
Eine halbe Stunde ist wahrscheinlich das Minimum an Zeit, das zur Verfügung stehen muss. Je nach Zahl und Art der Stationen mag es auch wesentlich mehr Zeit brauchen. Eventuell kannst du die Teilnehmer irgendwann fragen, wie sie zeitlich vorankommen; du kannst dann auch einen Endpunkt festlegen, damit am Schluss Zeit bleibt für Auswertung und Austausch.
Wie vorher erwähnt: Wer sich für die (kostenlosen) monatlichen Updates anmeldet, erthält Zugang zu einem Google Drive Ordner mit Beispielen für den Anfang oder den Abschluss einer Unterrichtswoche zu einem Buch mithilfe kreativer Andachten.
Als diese Ausgabe erscheint, treffen wir uns mit Mitarbeiter der SBS und des BCC aus ganz Europa in Wiler, Schweiz. Ich werde Eure Kommentare und Rückmeldungen somit wahrscheinlich erst in einigen Tagen lesen können.
Bild: Pixaby, Public Domain, http://pixabay.com/de/verkehrsschild-verkehrszeichen-6731/